[Rezension] Spaceship Unity – Season 1.1 (Brettspiel, kooperatives Aktionsspiel, SF)

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Als es 2022 auf der Spielemesse Essen das erste Mal einem ausgewählten Personenkreis vorgestellt wurde, konnte Spaceship Unity unter diesem bereits einen kleinen Begeisterungssturm entfachen. Jetzt ist das Spiel auch offiziell im Handel erschienen – und die Lobeshymnen klingen nicht ab. Was ist dran an dem Sci-Fi-Spiel mit dem ungewöhnlichen Konzept?

DAS SPIELMATERIAL
Was direkt auffällt ist das Gewicht der Box. Knapp drei Kilo bringt der Inhalt des stabilen und schön designten Kartons auf die Waage – mitnichten ein Leichtgewicht also. Wer beim Auspacken nun Dutzende von Kleinteilen befürchtet, kann beruhigt aufatmen: Den Großteil des gewichtigen Inhaltes bilden rund 400 Spielkarten, die in über 300 Storykarten, 39 Systemkarten und in 56 Verletzungs- und Störungskarten aufgeteilt sind. Hinzu kommen noch fünf Storybücher, zwei Sanduhren, sieben Marker, eine Anleitung und ein Logbuch für den Vermerk des Spielfortschritts.

Das Material ist ausnahmslos hochwertig produziert, was auch das Gewicht erklärt. Die Karten sind auf stabilem Karton gedruckt, während für die Storybücher dickeres und somit ebenfalls stabileres (Hochglanz)Papier verwendet wurde. Die farbigen Illustrationen von Eric Hibbeler sind hervorragend und fangen die Atmosphäre des Spiels super ein. Und was die ausmacht, dazu kommen wir jetzt.

DAS SPIELPRINZIP
Wer wollte nicht schon einmal Offizier auf dem Raumschiff Enterprise sein? Wie Scotty oder Geordi LaForge an den Schiffssystemen herumschrauben oder wie Kirk oder Picard gleich eine ganze Crew kommandieren? Mit Spaceship Unity kann man diesem Traum ein ganzes Stück näherkommen – bloß, dass es sich hier nicht um eine hochmoderne Enterprise handelt, sondern um einen heruntergekommenen und altersschwachen Kahn namens „Unity“. Die Spielenden verkörpern nämlich Rekruten der mittlerweile arg gebeutelten Interplanetaren Allianz – kurz IPA –, die in eine galaxieweite Verschwörung hineinstolpern und fortan als Crew and Bord der Unity um ihr Überleben kämpfen müssen. Denn neben fiesen Aliens stellt auch das eigene Schiff eine nicht unerhebliche und quasi stetige Bedrohung dar, da Fehlfunktionen an der Tagesordnung sind.

Spaceship Unity ist dabei aber kein taktisches Sci-Fi-Brettspiel wie Battlestar Galactica oder ein Deck-Building-Titel wie Star Realms, sondern lässt sich eher in das Genre „kooperatives Aktionsspiel“ einordnen: Die Spielenden müssen meist unter Zeitdruck bestimmte Aufgaben an Bord der Unity erfüllen, die sie entweder jeweils einzeln oder gemeinsam bewältigen müssen. Dabei wird eine durchgängige Geschichte erzählt, die in fünf Folgen aufgeteilt ist – quasi wie die Staffel einer Fernsehserie. Jede dieser fünf Folgen ist nochmals in unterschiedlich viele Kapitel (bzw. Missionen) untergliedert, die aufeinander folgen und möglichst erfolgreich abgeschlossen werden wollen. Das beginnt mit der Bedienung des COM-Systems um einen Sprachkanal zu öffnen, geht über den Einsatz von Brennstäben in der Energieversorgung bis hin zum Aktivieren des Traktorstrahls. Hinzu kommen die bereits erwähnten Fehlfunktionen, die zusätzlichen Druck verursachen, denn auch sie müssen innerhalb des Zeitlimits beseitigt werden. Da ist Panik vorprogrammiert.

Scheitern die Spielenden dabei, passieren unvorhergesehene Dinge – das Spiel aber geht stets weiter. Ganz im Sinne einer guten Serie wird die Handlung dann eben unter anderen Voraussetzungen fortgeführt. Der Spaß an der Sache soll klar im Vordergrund stehen.

Und der tritt mit ziemlicher Sicherheit ziemlich schnell auf den Plan, denn: Spaceship Unity beschränkt sich nicht nur auf den Spieltisch, sondern schließt theoretisch die ganze Wohnung mit ein und verwandelt sie in eine riesige Spielfläche! Aus Möbeln und Alltagsgegenständen werden die verschiedensten Systeme der Unity. So wird die Deckenlampe zum Beamer, das Spülbecken stellt die Energieversorgung dar oder das Bücherregal wird kurzerhand zum Navigationssystem umfunktioniert. Wobei auch hier die Autoren deutlich darauf hinweisen, dass im Vorfeld Tabuzonen festgelegt werden sollten. Denn nicht jeder möchte, dass im Schlafzimmer oder im Badezimmer herumgewuselt wird. Diese Räumlichkeiten können bei Bedarf von vornherein ausgeschlossen werden. Grundsätzlich sind Wohnzimmer, Küche und Flur als Spielfläche bereits völlig ausreichend. Diese Regelung kann natürlich auch auf bestimmte Gegenstände angewendet werden, wenn man nicht will, dass sie ins Spiel mit einbezogen werden.

DER SPIELABLAUF
Wie bereits erwähnt, besteht die Season 1.1 von Spaceship Unity aus fünf Episoden, die wiederum jeweils in mehrere Kapitel unterteilt sind. Jeder Episode ist ein eigenes Storybuch zugeordnet, in denen sich besagte Kapitel befinden und die nacheinander gespielt werden. Die Storybücher werden an einem zentralen Ort innerhalb der Spielfläche abgelegt. Dieser Ort dient nun als Brücke der Unity, auf der sich alle Spielenden versammeln und die den Ausgangspunkt für alle „Operationen“ bildet.

Ein Fluff-Text, der zu Beginn vorgelesen wird, erzählt nicht nur die Geschichte bzw. setzt diese fort, sondern beinhaltet ggf. auch Sonderregeln oder Anpassungen am Spielaufbau, die es zu beachten gilt.

Für jedes Kapitel wird eine bestimmte Anzahl von Story-, System- sowie Störungs- oder Verletzungskarten bereitgelegt. Die Storykarten beinhalten die Aufgaben, die es innerhalb des Kapitels abzuarbeiten gilt. Diese beziehen sich meist darauf, festgelegte Handlungen an Systemen durchzuführen. Welche Systeme im jeweiligen Kapitel zum Einsatz kommen werden, steht im Storybuch beschrieben. Die Systemkarten werden nun gut sichtbar an den Gegenstand oder das Mobiliar gestellt, das das System verkörpert. Am Beispiel der Energieversorgung wäre dies ein Spülbecken. Also wird die Karte dort platziert. Auf der Rückseite einer jeden Systemkarte werden die Aktionen beschrieben, die durchzuführen sind, um die Aufgabe auf der Storykarte zu erfüllen. Im späteren Verlauf und mit stetig steigendem Herausforderungsgrad kann es ganz schön wild werden: Nicht nur, dass dann auch mal mehrere Aufgaben auf einer Storykarte stehen können, sondern es kann auch bis zu vier verschiedenen Aktionen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Spielenden erfordern, um dem entsprechenden System den gewünschten Erfolg abzuringen. Damit zumindest der Überblick nicht verloren geht, sind Aufgabe und die dazugehörige(n) Aktion(en) farblich identisch hervorgehoben. Ansonsten gilt es, dass jede spielende Person eine oder auch gleich mehrere Aktionen durchführen muss, um die Aufgabe(n) erfolgreich abzuschließen.

Als wäre das nicht schon hektisch genug, kommen noch verschiedene Faktoren hinzu, die den Spielverlauf verkomplizieren. So sind die Kapitel eines Storybuchs entweder in „Action“ oder in „Challenge“-Kapitel unterteilt. Bei den Action-Kapiteln kommt der Zeitdruck in Form einer Sanduhr ins Spiel, die bei zwei Spielern entweder Sand für 120 Sekunden oder bei drei bis vier Spielern Sand für nur 90 Sekunden beinhaltet. Der Kniff besteht nun darin, darauf zu achten, dass der Sand in der Uhr nicht vollständig durchläuft. Ist dies der Fall, gilt das Kapitel als verloren. Wer es jedoch schafft, die Sanduhr rechtzeitig umzudrehen, bekommt weitere Sekunden zur Bewältigung der Aufgaben geschenkt, wobei Aufgaben bzw. Aktionen innerhalb des Zeitrahmens beliebig oft wiederholt werden können, sollten sie mal scheitern. Allerdings muss die Uhr aber auch stets ein Feld auf der Lebenserhaltungsleiste vorgesetzt werden. Ist sie auf dem letzten Feld angekommen, darf sie nicht mehr gedreht werden. Den Spielenden bleibt nun nur noch die Zeit, die in Form von Sand in der Uhr enthalten ist. Landet sie während ihrer „Wanderung“ auf einem entsprechend markierten Feld, kommen auch noch die Störungskarten hinzu. Sie symbolisieren eine Störung an einem bestimmten System, die zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben unbedingt behoben werden muss und zusätzliche Aktionen bedeutet.

Bei den Challenge-Kapiteln steht den Spielenden hingegen alle Zeit der Welt zur Verfügung, um die Aufgaben auf den Storykarten erfolgreich durchzuführen. Allerdings dürfen sie hierbei die Aufgaben bzw. Aktionen nicht beliebig oft wiederholen. Bei zu häufigem Scheitern gilt das Kapitel als verloren. Auch hier dient die Sanduhr als Marker, die pro gescheiterten Versuch um ein Feld auf der Lebenserhaltungsleiste vorgesetzt wird. Begleitet wird jeder gescheiterte Versuch mit einer Verletzungskarte, die zusätzliche Herausforderungen bei der Aufgabenbewältigung mit sich bringt. So muss die spielende Person bei einer bestimmten Verletzungskarte beispielsweise ständigen Blickkontakt mit einer anderen Person halten und dabei all ihre Aktionen kommentieren. Herrlich schräg!

Es wird empfohlen, pro Spielsitzung mindestens eine Folge bzw. Episode vollständig abzuschließen, da ansonsten schnell der Überblick verloren geht, wer was an welchen Systemen gemacht hat. Daher dient das Logbuch als zuverlässiges „Savegame“. Auf ihm werden die Fortschritte notiert und festgehalten, damit bei Beginn der nächsten Folge geprüft werden kann, in welchem Kapitel begonnen wird. Denn wie weiter oben bereits geschildert bedeuten verlorene Kapitel nicht das Game Over. Sie verändern lediglich die weiteren Bedingungen.


MEDIADATEN

…Autoren: Ulrich Blum, Jens Merkl
…Grafik:  Daniel Müller, Janine Taplan
…Verlag: Pegasus Spiele
…Mitspielende: 2-4
…Spieldauer: 60 – 120 Min.
…Alter: 10+
…Erschienen: 2022
…Preis: 49,99 EUR

MEINE MEINUNG
Spaceship Unity bedeutet Hektik in Reinform – dessen sollte man sich bewusst sein. Auch sollte man nicht unbedingt zu später Stunde mit dem Spiel beginnen, wenn man in einem Mehrfamilienhaus nicht den Zorn der Nachbarn auf sich ziehen möchte. Aber Lautstärke, Hektik und mitunter auch Chaos ist nun mal das grundlegende Prinzip des Spiels, daraus machen die Autoren auch keinen Hehl. Manche der Aktionen sind auch so herrlich bescheuert, dass der ein oder andere kollektive Lachflash vorprogrammiert ist.

Spaceship Unity ist aber nicht nur hektisch, sondern auch verdammt herausfordernd. Insbesondere die Action-Kapitel bieten kaum Zeit zur gemeinschaftlichen Absprache, alles muss ruck zuck gehen und kann quasi nur intuitiv denn durchdacht angegangen werden. Ein Scheitern an der ein oder anderen Stelle kann kaum verhindert werden und dürfte insbesondere Menschen mit wenig Frusttoleranz an ihre Grenzen treiben. Leider werden Erfolgserlebnisse bei schwierigen Aktionen auch nicht zusätzlich belohnt, zum Beispiel mit Extra-Sekunden für das nächste Action-Kapitel. Dass die Spieleranzahl auf vier Personen beschränkt ist, ist zudem sehr schade. Gefühlt wäre hier durchaus noch Platz für weitere Mitspielende.

Dennoch ist das Spielprinzip enorm innovativ und zumindest im Rahmen des erstmaligen Durchspielens extrem kurzweilig und verflucht unterhaltsam. Der Wiederspielwert hält sich aber in Grenzen, auch wenn der Ehrgeiz da ist, verlorene Kapitel zum Erfolg zu führen oder es das nächste Mal mit einer anderen Strategie zu versuchen. Weitreichende Auswirkungen auf den Spielverlauf hätte das nicht.

MEINE WERTUNG
4,5 von 5 Waschsymbolen

von : Christophorus

L I N K S

2 Kommentare zu „[Rezension] Spaceship Unity – Season 1.1 (Brettspiel, kooperatives Aktionsspiel, SF)“

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