Fragestunde #4: Spielmaterial

© Wüfelheld

Willkommen zur 4.Fragestunde. Ich hatte auf Social Media folgende Frage gestellt: „…Also, was wolltest du schon immer über „Spielen als blinde Person“ wissen ??? Keine Scheu, einfach her mit deiner/n Frage/n!“. Nochmals vielen Dank für die Fragen. Auf geht`s.

Hier eine Frage, welche mir von KOrt3scg gestellt wurde: „Benötigst du größere Spielfiguren, damit du sie besser ertasten kannst? Gibt es Spielbögen/Charakterbögen und Regeln in Blindenschrift oder musst du alles digital machen?“

Ok, die Vorgeschichte meiner Einschränkung kannst Du im Artikel „Blind am Rollenspieltisch“ oder in der 42.Folge des Niveauvollen Trashtalks „Barrierefreiheit im Rollenspiel“ nachvollziehen. Aber das hält mich jetzt nicht davon ab hier auf Deine Frage einzugehen. Und „blind“ ist nicht gleich „blind“. So zählt man in Deutschland als „blind“ wenn man maximal 2% Sehkraft aufweist.

Ui, ein großes Feld welches ich nun beackern könnte. Anfangen möchte ich nochmals mit den Hinweis auf die Fragestunde #2 und Fragestunde #3 wo ich bereits auf Würfel/n (inkl. Braille) und Spielbögen eingegangen bin. Aber hier nochmals schnell erwähnt. Bei Würfeln findet man mittlerweile viele Großformate bzw. auch Braille-Würfel (u.a. zum Selberdrucken, siehe Artikel). Bei den Spielbögen ist mir noch kein Braille-Bogen in die Finger gekommen.

Aber gehen wir das Thema doch genauer an. Also erst ein paar Zahlen, Es gibt in Deutschland ca. 0,8-1,2 Millionen Blinde, je nach Datenlage/-quelle. Weiterhin wird geschätzt das 150.000 – 170.000 Personen Braille lesen können, Ich persönlich habe eine Regelbildung durchlaufen (Thema für sich) und kann nur Ansatzweise Braille, wobei ich mich derzeit intensiver damit beschäftige – ist aber schwieriger als gedacht und wenn man es einmal kann, ist immer wieder Training von Nöten. Wobei man heute auch sagen kann/muss/sollte, aufgrund des technischen Fortschritts (elektronische Lupen, Smartphones, usw.) ist es auch ohne Braille schaffbar. Wie es da weitergeht kann ich nicht genau abschätzen, da es aus meiner Sicht mehrere „Lager“ gibt und man teils die bestehenden, eingeschliffenen Strukturen hinterfragen sollte. Hier in NRW scheint es aber so, das das entsprechende Ministerium sich lieber für schöne Pressefotos zur Verfügung stellt, als mit den Betroffenen einen zukunftsweisenden Dialog zu führen. Aber lassen wir das! Wer Braille testen möchte, kann dies auf seinen Geldscheinen und Münzen tun. Schwieriger wird es dann bei Medikamentenverpackungen. Oder geht einfach mal zum örtlichen Blindenverein .

Blicken wir einmal auf Spiele und die Zugänglichkeit. Es gibt immer wieder Spiele bzw. Entwickler*innen die sich Gedanken machen und teils in Kooperation mit Vereinen oder Verbänden sich der Thematik widmen. So gibt es mehrere kleine Hersteller, welche sich auf Brettspiele für Blinde und Seheingeschränkte spezialisiert habe (meist Umbauen). Das sind dann aber meist Spiele wie Schach, Dame oder Backgammon. Ausnahmen sind z.B. Heimlich & Co. Ab und an findet man auch Spiele welche dann von großen Herstellern ein Update erhalten, so etwa Uno – hier gibt es eine Braille Version (über den normalen Handel). Oder man muss einfach mal schauen. Vor Jahren etwa gab es zur SPIEL (internationale Spielemesse Essen) das Spiel „Ninja Arena“. Dies gab es auch in einer entsprechenden Version. Leider war es ausverkauft und ich habe keins mehr bekommen. Man muss bei den Brettspielen direkt anmerken, das sie aufgrund der Stückzahlen, doch erheblich teurer sind – aus einem aktuellen Blick heraus durchschnittlich + 120% und mehr.. Wenn man hier vom Entwicklungsstart her ein paar Kleinigkeiten anpassen würde, könnten viele Spiele sicherlich „allgemein“ mit Hilfen produziert werden, und für den regulären Preis auf den Markt kommen. Das Thema sollte man angehen, schließlich ist unsere Gesellschaft eine alternde und damit nehmen auch Seheinschränkungen zu.

Werfen wir mal einen Blick auf Spielfiguren bzw. Miniaturen. Bei Spielfiguren kann man frei sagen, es gibt, wie oben erwähnt, auch ab und an Großversionen von Spielen, dann sind die Figuren entsprechend angepasst. Dies ist nicht die Regel. Markierungen sind mir hier erst einmal in die Finger gekommen. Da waren Pöppel oben mit Punkten gekennzeichnet – zwar kein Braille, aber unterscheidbar. Bei Miniaturen wäre es auch wünschenswert, wenn z.B. auf den Platten entsprechend Kennzeichnungen angebracht wären oder angebracht werden könnten (Serienmäßig). Ja, wenn ich Tabletop spiele, muss ich immer drei, vier mal schauen das ich keinen Quatsch mache. Die Figuren müssen daher vom Farbschema gut unterscheidbar und auf der Spielplatte erkennbar sein. Dunkelgrüne Figuren im Dschungelkampf könnte problematisch werden, da ich im eine blau/grün Schwäche habe. Darauf weiß ich meine Gegenspieler*innen hin, dann funktioniert dies in den meisten Fällen schon. Ansonsten entwickeln sich daraus meist Running Gags 🙂 Wenn es dann um den Einsatz von Maßband usw. geht, nehme ich gerne Hilfe in Anspruch, damit ich nicht in einer Partie, öfters die Figuren abräume oder verschiebe. Schließlich soll eine gute Atmosphäre für alle Mitspielenden entstehen. Ja, Hilfe in Anspruch nehmen, bedeutet sicherlich auch, dem Mitspielenden Vertrauen gegenüber zu bringen, und das tue ich – es ist nur ein Spiel, wer da bescheißt …

Was für Miniaturen gilt, zählt auch für Geländeplatten, Gelände, Gebäude, usw. Hier sollten Kennzeichnungen vorhanden sein. Das bleibt natürlich den Besitzenden überlassen, aber Farbschemas können viel ausmachen. Aber man kann auch für die anstehende Partie einfach was mit Tesa befestigen. Man muss ja das Rad nicht neu erfinden, es geht so einfach.

Wenn wir auf Miniaturen basteln schauen. Leider muss ich hier direkt mit der weißen Fahne wedeln. Das ist so gar nichts für mich. Ich habe mehrfach versucht, u.a. mit diversen Lupen. No Chance! Daher war ich nie der größte Tabletop-Spieler. Ich gestehe, ich hatte auch keinen Bock mir Pinselgenies zu suchen und mir die Figuren nach Wunsch zu designen. Gebraucht bin ich öfters auf die Nase gefallen. War also nichts. Mein Versuch mit dem ein oder anderen Hersteller ins Gespräch zu kommen, war schwierig. Nett gesagt, ich stieß meist auf Desinteresse – daher habe ich es länger nicht mehr getan.

Wenn es um Spielmaterial wie etwa Spielregeln geht, ist es oft ernüchternd. In der Regel erhalte ich hier das selbe Material wie Sehende. Manche Regelbücher sind selbst mit Vorlesesysteme schlecht zu lesen. Hier wird in der Regel nicht auf Kontraste, Schriftarten usw. geachtet. Wenn ich nun auf die digitalen Angebote schaue, ist es auch nicht besser. Wenn man als Seheingeschränkter keine Lust verspürt sich mit Software und Einstellungen auseinanderzusetzen landet man schnell im Chaos. Viele PDFs sind bis heute nicht Barrierefrei, d.h. Screen Reader versagen (Abbruch, harken, überspringen) . Wobei es zu der Thematik viele qualifizierte Kurse gibt. Aber ich möchte auch mal zwei positive Beispiele geben. Nach meinem oben gelinkten Podcast, haben sich zwei Rollenspiel-Verlage das Gespräch mit mir gesucht und arbeiten derzeit an der Umsetzung. Ja, das zeigt, wenn man bereit ist Neues anzugehen, dann geht das! Ich wünsche mir hier jedoch mehr!

Zum Schluss sei noch gesagt, ich versuche meist mit den „Standards“ auszukommen und nehme aber Hilfe in Anspruch wenn ich nicht weiterkomme. Das ist nicht immer einfach (gewesen), denn man muss da ein gewisses „Schmnerzfrei“ entwickeln und das kann und möchte nicht jede/r. Damit ihr wisst, was ich meine, geht doch mal wenn ihr in der Stadt, oder in einer Behlrde seit hin quatscht eine wildfremde Person an „Entschuldigen Sie, ich bin Blindkönnten Sie mich zum Aufzug bringen?“. Mal schauen wie einfach dir das fällt.

Ich hoffe deine Frage beantwortet zu haben und freue mich über eurer Kommentare und Feedback.

Würfelheld

L I N K S

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