[Rezension] Super Fantasy Brawl (deutsche Grundbox)

Brettspiele gehören nach wie vor zu den Lieblingsprojekten der Schwarmfinanzierer. Super Fantasy Brawl machte da keine Ausnahme und sammelte in der englischsprachigen Fassung, die über den erfahrenen Publisher MYTHIC GAMES vertrieben wurde (mittlerweile aber nicht mehr zu deren Portfolio gehört), knapp eine halbe Million Dollar ein – bei einem veranschlagten Finanzierungsziel von 30.000 Dollar.
Der gefeierte Taktik-Brawler für zwei Personen (der erst unter Hinzunahme von Erweiterungsboxen auf vier Spielende erweitert werden kann) ist seit kurzem auch in der deutschsprachigen Version erhältlich.

DAS SPIELMATERIAL
Die prallgefüllte Box besteht aus sechs großen, sauber gefertigten und detailliert bearbeiteten Plastikminiaturen – den „Champions“ – nebst deren Eigenschaftskarten, 36 Aktionskarten (je 6 pro Champion), elf Herausforderungskarten, einem Spielplan, vier Spielertableaus und über 80 Zustands-, Schadens- und Fallenmarkern aus stabilem Karton.

Die Aktions-, Herausforderungs- und Championskarten bewegen sich dabei qualitativ auf dem Niveau handelsüblicher Spielkarten, sind also gegen Knicke oder Risse nicht gefeit. Die auf Hochglanzpapier gedruckte Spielanleitung bewegt sich ebenfalls im standardisierten Rahmen und fällt nicht weiter durch besondere Qualitätsmerkmale wie z.B. verstärktes Papier auf.

DAS SPIELPRINZIP
Das Grundprinzip von Super Fantasy Brawl klingt erst einmal einfach: Die beiden Spielenden übernehmen die Kontrolle über je drei Champions und schicken sie als erzwungenes Team ins Gefecht aufs Spielbrett bzw. in die Arena. Gewonnen hat die spielende Person, die durch das Ausschalten gegnerischer Champions und/oder das Erfüllen von Nebenaufgaben zuerst fünf Siegpunkte ergattern kann. Eine gegnerische Figur vom Brett zu fegen bringt dabei einen Siegpunkt, eine zusätzliche Herausforderung zu erfüllen sogar bis zu zwei Siegpunkte. Da mit jeder neuen Spielrunde eine neue Herausforderungskarte hinzukommt, sind sie der eigentliche Schlüssel zum Sieg.

Die tatsächliche taktische Tiefe des Spiels steckt im Detail: Sämtliche Handlungen wie Angriffe, Bewegungsmanöver oder das Ausführen bestimmter Fähigkeiten werden über Aktionskarten gesteuert, von denen jeder Champion jeweils sechs ganz individuelle mitbringt und die in den Farben Rot, Gelb und Blau unterteilt sind. Diese Farben stellen die „magischen Essenzen“ Zerstörung (rot), Schöpfung (gelb) und Manipulation (blau) dar. Das spielt insofern eine wichtige Rolle, da jede dieser Karten erst mit der dazu farblich passenden Essenz aktiviert werden muss. Diese steht den Spieler*innen jedoch jeweils nur einmal pro Zug in Form eines gekennzeichneten Markers zur Verfügung. Daher sollte vor jeder Aktion genau geprüft werden, welche Essenz man für was ausgibt.

Von den insgesamt 18 Aktionskarten, die das eigene Deck bilden, befinden sich allerdings immer nur fünf gleichzeitig auf der Hand – und die werden auch noch per Zufallsverfahren aus dem Deck gezogen. Die restlichen 13 Karten fungieren als Nachziehstapel. Zwar dürfen bei Zugbeginn beliebig viele Karten einmalig abgeworfen und im gleichen Verhältnis vom Nachziehstapel nachgezogen werden, aber dennoch kann es unter Umständen die Konsequenz haben, dass nicht alle drei Essenzen zum Ausspielen der Karten verwendet werden können, da sich zu viele Karten einer bestimmten Farbe auf der Hand befinden. Oder man zieht hauptsächlich Karten einer bestimmten Spielfigur und kann nur mit dieser agieren, obwohl eine andere in dem Augenblick besser positioniert ist. Aber niemand ist zum Nichtstun verdammt, denn jede Essenz kann alternativ in sogenannte Standardaktionen investiert werden. Damit ist es beispielsweise möglich, einen beliebigen seiner drei Champions bzw. Championessen um einen Punkt zu heilen, um ein Feld auf dem Spielbrett zu bewegen, einen Schadenspunkt bei einer benachbarten Gegnerfigur zu verursachen oder eine Handkarte auf den Nachziehstapel zu legen, um Gewissheit zu haben, dass sie in der nächsten Runde wieder auf die Hand kommt.

Wird eine der gegnerischen Spielfiguren besiegt, indem ihre Lebensenergie auf null fällt, darf die eigene Figur, die den entscheidenden Schlag durchgeführt hat, eine Stufe aufsteigen. Je nach Champion bedeutet das eine zusätzliche Fähigkeit, einen höheren Schadensausstoß, mehr Lebenspunkte oder eine stärkere Panzerung. Die besiegte Figur wird dabei nicht komplett vom Spielfeld entfernt, sondern lediglich in das Startgebiet zurückversetzt und darf, sobald mindestens ein Bewegungspunkt in sie investiert wurde, wieder am Spiel teilnehmen. Sollte es sich dabei um eine bereits aufgestiegene Figur gehandelt haben, sind die Boni nun allerdings futsch.

DER SPIELABLAUF
Die Spielenden klären vorab untereinander, ob sie ihre drei Champions einfach frei wählen oder im Zuge eines Draft-Verfahrens (die Spielenden wählen jeweils hintereinander) aussuchen wollen. Danach werden alle Aktionskarten der gewählten Champions gut zusammengemischt. Zudem wird die erste Herausforderungskarte ans Spielfeld angelegt. Apropos Spielfeld: Dieses ist in Hexfelder und in zwei Zonen unterteilt, die die Aufstellungsbereiche der jeweiligen Champions darstellen. Zudem bilden drei feste Säulen natürliche Barrieren, die sich taktisch nutzen lassen.

Die Person, die beginnen darf, leitet die Vorbereitungsphase ein und darf sich nun fünf Karten vom Zugstapel in die Hand nehmen und entscheiden, ob sie sie behalten oder bestimmte bzw. alle Karten austauschen und neu ziehen möchte. Ein erneuter Austausch ist nicht möglich und die abgelegten Karten werden dem Zugstapel untergemischt. Anschließend legt sie zwei Fallenmarker auf zwei der dafür vorgesehenen Felder. Fallen können bis zu drei Punkte zusätzlichen Schaden verursachen und somit ein ganz schönes Loch ins Lebenspunktekontor reißen, denn nur wenige Champions besitzen mehr als sieben davon. Danach darf die zweite Person dieselben Schritte durchführen. Nun ist die Startperson wieder an der Reihe und positioniert ihre Champions entsprechend den Markierungen in ihrem Startgebiet. Person zwei macht das im Anschluss ebenso.

Damit ist die Vorbereitungsphase beendet und der eigentliche Zug beginnt. Ein solcher besteht aus drei Phasen: der Punktephase, der Aktivierungsphase und der Versorgungsphase. In der Punktephase prüft die Person, die an der Reihe ist, ob die Voraussetzungen zur Erfüllung einer Herausforderungskarte gegeben sind. Dies kann z.B. sein, wenn alle eigenen Champions in der Zone des Gegners stehen oder zwei oder mehr Champions auf Fallenfeldern stehen. In der ersten Runde ist eine Erfüllung noch nicht möglich, da die erste Herausforderungskarte zu diesem Zeitpunkt noch an einem neutralen Feld anliegt.

In der Aktivierungsphase setzt die beginnende Person die gewünschten bzw. benötigten Essenzen ein, um eine oder bis zu drei der fünf Handkarten auszuspielen oder Standardaktionen zu aktivieren. Die Karten sind nicht nur in Farben, sondern auch in den Aktionstypen „Angriff“, „Fähigkeiten“ und „Reaktion“ gegliedert und bilden im Regelfall gleich mehrere Aktionen ab, die beim Ausspielen abgehandelt werden. So ist es durchaus möglich, die passende Figur sich erst bewegen und anschließend angreifen zu lassen, da sie sich in Nah- oder Fernkampfreichweite befindet. Welcher Schaden verursacht wird oder über wie viele Felder sich eine Figur bewegen kann, ist der jeweiligen Karte zu entnehmen. Dabei ist alles vertreten, was das Fantasy-Arsenal hergibt: Kontrollzauber, Feuerbälle, Kettenblitze, hinterhältige Messerattacken, Buffs für verbündete Champions, Debuffs für gegnerischen Figuren und vieles mehr. Zudem enthalten die meisten Aktionskarten noch coole Sonderfähigkeiten ihrer jeweiligen Champions, die entweder vor oder nach einem Angriff zum Einsatz kommen, sofern bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind.
Eine besondere Rolle kommen den Reaktionskarten zu. Diese sind nicht an die Champions gebunden, sondern können von der gegnerischen Person sofort als „Antwort“ auf eine Angriffsaktion ausgespielt werden, sofern die dafür benötigte farbliche Ressource zur Verfügung steht. Auf diese muss dann in der eigenen Zugphase jedoch verzichtet werden.

Wurde alles ausgespielt was ausgespielt werden konnte, findet anschließend die Versorgungsphase statt. In dieser werden sämtliche verbrauchte Essenzen wieder regeneriert – es sei denn, sie wurden in der Gegnerphase in Reaktionen investiert. Dann stehen sie im nächsten Zug nicht zur Verfügung. Die noch verbliebenen Handkarten werden abgeworfen und durch fünf neue vom Zugstapel ersetzt. Nun ist die nächste spielende Person an der Reihe und führt ihrerseits ihre Zugphasen durch.

Haben beide Spielenden ihre Züge beendet, rutscht die Herausforderungskarte einen Slot weiter nach oben. Gleichzeitig wird eine neue, zusätzliche Herausforderung an die neutrale Stelle angelegt. Das geht pro Runde (also immer dann, wenn beide Spielenden ihre Züge abgehandelt haben) immer so weiter. Die Position der Karte innerhalb dieser Leiste kennzeichnet, wie viel Siegpunkte eine Herausforderung einbringt – wie zu Beginn bereits erwähnt liegt das Maximum bei zwei Punkten. Doch Vorsicht! Rutschen die Karten zu weit nach oben, sinken die zu erhaltenen Punkte wieder. Irgendwann fallen die Karten sogar ganz raus, wenn sich niemand ihrer Erfüllung annimmt.

Die Anleitung enthält im Übrigen angepasste Regeln für eine spezielle „Der große Wirbelsturm“ getaufte Vier-Spieler-Variante und ein auf Turnier-Sessions ausgelegtes Draft-System. Um diese Zusatzregeln nutzen zu können, ist die Anschaffung von mindestens einer Erweiterungsbox jedoch Pflicht, da jeweils eine höhere Anzahl an Champions benötigt wird, die das Grundspiel nicht mitliefert.

MEDIADATEN

…Autor: Jochen Eisenhuth
…Grafik:  u.a. Stéphane Gantiez, Johannes Helgeson, Ivan Fomin
…Verlag: GRIMSPIRE)
…Mitspielende: 2 (4 bei Verwendung von Erweiterungssets)
…Spieldauer: 30 – 40 Min.
…Alter: 14+
…Erschienen: 2022
…Preis: 49,99 EUR

MEINE MEINUNG
Super Fantasy Brawl ist ein wirklich toller, anspruchsvoller, aber auch gleichzeitig flotter Skirmisher. Damit eine Partie aber auch wirklich gut von der Hand geht und taktisch planen kann, ist es Voraussetzung, die Stärken und Schwächen sämtlicher Champions – also ihre Aktionskarten – gut zu kennen. Nur so weiß man, welche Karten die gegnerische Person noch auf der Hand hat oder eventuell noch spielen kann – und natürlich, was man selbst noch alles in der Pipeline hat. Die Lernkurve ist also einigermaßen steil.

Bietet der Kampf gegen die gegnerischen Figuren nicht schon genug taktische Knobelei, kommt durch die Herausforderungskarten noch zusätzliche Würze hinzu. Ein wirklich bereicherndes Element, bei dem immer abgewägt werden muss, ob bzw. wann es sich lohnt, auf die Erfüllung hinzuarbeiten.

Weniger schön ist, dass ein Spiel mit vier Personen erst unter Verwendung von Erweiterungsboxen möglich ist. Das macht in Hinsicht auf den Turniermodus – denn in diese Richtung möchte sich Super Fantasy Brawl auch positionieren – Sinn, aber eine schnelle Runde mit Freunden mal so zwischendurch als Appetithappen wäre bereits mit Zusatzkosten verbunden.

Dennoch erzeugt das Spiel einen ordentlichen Sog und bietet insbesondere Taktikfüchsen einen ganzen Sack voll Knobelspaß – sofern man bereit ist, ein wenig Zeit in das Erlernen (und Perfektionieren) der Mechaniken zu investieren.

MEINE WERTUNG
4,75 von 5 Champions

von: Christophorus

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