[Rezension] Durance – Gefangen! (Rollenspiel)

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Pro Indie ist mittlerweile eine gute Adresse für kleine Überraschungshits, was quasi mit Fiasko von Jason Morningstar begann. Von genau jenem stammt Durance, welches im Deutschen den Untertitel Gefangen! bekommen hat. Auf 144 Seiten wird das spielleiterlose Spiel im Hardcover rund um einen Gefängnisplaneten (oder genauer: dutzend verschiedene) präsentiert.

WELT- UND CHARAKTERERSCHAFFUNG
Schon die Erschaffung des Settings ist Teil des Spiels. Als erstes folgt die Planetare Einstufung (ATE) mit den Kategorien Atmosphäre, Klima, Geotechnik, Wasservorkommen, Flora und Fauna sowie Intelligentes Leben. Dazu wird ein Bogen reihum gereicht und der/die erste Spieler*in wählt eine Kategorie aus und streicht eine andere, entsprechend die nächsten zwei Spieler*innen. Dadurch entsteht ein Profil, welche 3 Kategorien funktionieren und welche drei Probleme bereiten – 20 unterschiedliche Profile sind möglich – und für alle ein Beispiel eingeführt.

Zwei Beispiele: Jorca Ten hat die Kategorien Atmosphäre, Flora und Fauna sowie Intelligentes Leben, daher sagt das Gutachten: „… fast perfekte Stickstoff-Sauerstoff-Mischung. Endemische Arten … noch nicht über Mehrzeller.“ Doch das alsbald revidierte Gutachten macht darauf aufmerksam: „Kern aus Nickel sorgt für erdrückende Schwerkraft … Wasser gibt es nur an Äquator in schwer erreichbaren Gebiete … von Zeit zu Zeit fegen unberechenbare, kontinentumspannende Megastürme über die Welt.“ Außerdem werden sechs Details geliefert um die Welt zu beschreiben, z.B. ein perfekter Monolith aus Nickel oder elektrische Stürme.

Marker 4407 3 ist hingegen eine Wasserwelt mit einigen Inselsprengeln ohne vulkanische Aktivität und intelligentes Leben (gewählt: Geotechnik, Wasservorkommen und Intelligentes Leben). Jedoch hat sich eine schwüle Daueratmosphäre mit infektiösen Mikroorganismen etabliert.

Danach erfolgt die Koloniale Klassifizierung (AKK) mit Infrastruktur, Bevölkerungsdichte, Arbeitskraft, Konjunktur, Ordnung und Justiz, auch hier zwei Beispiele:

Harmony (Infrastruktur, Arbeitskraft, Konjunktur) wird offiziell modern geführt und organisiert, Essensrationen gibt es nach Arbeitsleistung, die Marines unterdrücken kleinere Proteste, die in der Vergangenheit schonmal zu Ausfällen und Verknappung führte. Inoffiziell ist wenig Platz zum Leben da und die Herrscher spielen sich wie Götter auf, selbst kleinere Disziplinlosigkeiten werden hart bestraft. Bei den Details: Ein Galgen überschattet den Paradeplatz und Leute, die in die Käfige gesperrt werden, überleben die erste Nacht …

New Launceton (Bevölkerungsdichte, Arbeitskraft, Justiz) hingegen hat keine Platzprobleme, über viele Quadratkilometer verteilen sich die Hütten der Gefangenen, die in Heimarbeit ihr Bestes tun. Die Obrigkeit ist immer in Bewegung und nur in ihrer Sichtweite gilt das Gesetz … Die Gefangenen selber erfreuen sich an der Freiheit, die ihnen diese Kolonie bietet, wisen aber auch, dass der kleinste Reichtum bei einer Inspektion unter den Stiefeln der Marines zertreten werden kann … Details: Der Routenplan der Obrigkeit ist verschwunden und eine armlange Plastikröhre mit Sprengstoff entdeckt worden.

Ist das erledigt können alle Spieler*innen zusammen ihre Welt und Kolonie mit kleinen Details ausarbeiten. Danach wird der Antrieb gesucht, was derart geschieht, dass die Spieler*innen ringsum 5 von 6 Begriffen streichen: Freiheit, Kontrolle, Sicherheit, Harmonie, Nachsicht oder Status. Dieser wird in das Unsicherheitsdreieck eingetragen, in deren Ecken der gefunden Antrieb, Gehorsam und Gewalt steht, die das Spiel immer wieder anstoßen sollen.

Nun kommen wir zu den Charakteren – jede/r Spieler*in übernimmt zwei. Einer gehört zur Obrigkeit, egal ob der Gouverneu*in selbst, Richter*in, Marine oder Bettler*ib/Hilfsbedürfige/r, hier wird in 5 soziale Schichten eingeteilt. Der andere gehört den Sträflingen, egal ob begünstigte/r Gefangene/r (aufgrund von Bestechung), Schwerverbrecher*ub, Betrüger*in oder politische/r Gefangene/r. Beide müssen anderen Schichten angehören, ich kann also nicht Gouverneur und Herr der Unterwelt zugleich sein. Sind es fünf Spieler besetzen alle die 5 Sozialschichten beider Fraktionen. Zum Abrunden der SC erhält jeder noch einen von 36 Eiden, z. B. „Ich werde niemals jemanden vertrauen!“, „Ich werde niemals einen Menschen töten!“ oder „Ich werde niemals ein Versprechen brechen!“.

Es folgt die Nachbereitung: bei weniger als fünf Spieler*innen werden die übrigen Positionen aufgefüllt, Planet und Kolonie ausgearbeitet und der/die sog. Vorsteher*in wirft die Startwerte im Unsicherheitsdreieck aus.

MEDIADATEN

… Spieldesigner: Jason Morningstar
… Übersetzung: Thorsten Göbel, Tobias Santl, Ralf Horny
… Layout : Fred Hicks, Carsten Damm
… Verlag: Pro Indie
… Format: A5 Hardcover
… Seiten: 144
… Erschienen: 2020
… Preis: 19,95 EUR

WIE FUNKTIONIERT NUN DAS SPIEL OHNE SPIELLEITER*IN?
Sind die Vorbereitungen abgeschlossen, wird jede/r nach und nach einmal Aufseher*in und setzt interessante Prominente (so werden die SC genannt) und/oder besondere Umstände fest und stellt eine Frage dazu. Der Rest versucht dann in der Szene eine Antwort zu erspielen. Gibt es Unsicherheiten werden zwei Würfel des Unsicherheitsdreiecks geworfen und sollen dann zeigen, in welche Richtung sich die Auflösung entwickelt. Bei einem Pasch mit jeweils sechs Ereignissen, wobei es, wenn der dritte Würfel ebenfalls zum Pasch passt, ein Episches Ereignis ausgelöst wird, ein Aufstand z.B. oder einen Planetenkollaps … Sollte es dazu kommen, dass ein Eid gebrochen wird, kann ein/e Prominente*r in der Hierarchie die Position wechseln, die Planetare Einstufung oder Koloniale Klassifizierung sich ändert oder der besondere Antrieb des Spiels, was der/die Spieler*in des Eidbrechers festlegt. Dieser wird jetzt NSC und alle zusammen legen den Effekt für die Gesamtgeschichte fest. Sind mehr Prominente tot oder verschwunden als Spieler*innen, läutet der/die Vorsteher*in eine letzte Runde ein …

MEINE MEINUNG
Der Spielablauf ist durchdacht, auch wenn man mehr Geschichten spielt statt Charaktere, oder oft wie ein/e Regisseur*in statt wie ein/e Schauspieler*in kennt. Im Prinzip kennt man es schon aus Fiasko, was allerdings einen großen Vorteil hat: Dutzende von unterschiedlichen Genres und Szenarien. Hier hat man zwar auch 20 mal 20 unterschiedliche Ausgangsbedingungen, aber es bleibt bei einer Gefangenenkolonie auf einem Kolonieplaneten. Das macht sicher einmal oder auch dreimal Spaß, aber ist dann doch irgendwo limitiert. Layout und Aufteilung sind echt gelungen, der Preis absolut  OKay.

SPIELKARTEN
Für nen 10er gibt es ein Spielkartenset mit knapp 90 Karten dazu mit zahlreichen Spielhilfen. Kurzregeln auf 6 Karten, Paschübersicht, Ränge, Planetare Einstufung oder Koloniale Klassifizierung. Wer Spaß an dem Spiel findet und es mehr als einmal spielt, da lohnen sich die Karten, welche eine gute, stabile Qualität haben.

MEDIADATEN SPIELKARTEN

… Spieldesigner: Jason Morningstar
… Verlag: Pro Indie
… Format: normale Spielkartengröße
… Anzahl: knapp 90
… Erschienen: 2020
… Preis: 9,95 EUR

MEIN FAZIT
Wer Fiasco mochte und sich unterschiedliche Gefangenenszenarien als unterhaltsam vorstellen kann, kann hier problemlos zuschlagen. Auch wenn das Werk von guter Qualität ist, dem Unbefleckten würde ich eher zum Vorgängerwerk Fiasko raten.

MEINE WERTUNG
4 von 5 Gefängnisplaneten

von: Greifenklaue

L I N K S

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