[Rezension] Ultima Ratio – Im Schatten von MUTTER: Raumer Handbuch (Rollenspiel)

Autor: Nikolas Tsamourtzis
Verlag: Heinrich Tüffers Verlag
Format: Softcover A4
Seitenzahl: 52
Erschienen: 2015
ISBN: 978-3941340084
Preis: 12,95 € (bzw. 9,95 € als .pdf)

von: Greifenklaue

Mit dem Raumerhandbuch liegt das mittlerweile vierte Werk zum Rollenspiel Ultima Ratio von äußerst engagierten Heinrich Tüffers Verlag vor. Man bleibt dem bisherigen Format treu und präsentiert das Quellenbuch auf 52 Seiten in A4 Vollfarbe für 12,95 Euro.

Klappentext:
Der Blick von außen auf das Dasein eines Raumers ist mehr als nur romantisch verklärt. Ein Leben zwischen den Sternen gilt für viele als Garant von Freiheit und Ungebundenheit ohne das allsehende Auge einer KI im Nacken.

Doch der Schein trügt: Wo keine KI die Bewegung beschränkt, stellen Bordwände die einzigen Grenzen zur todbringenden Leere dar. Die meiste Zeit verbringen Raumer in der Enge ihrer Schiffe und dem traumlosen Kälteschlaf. Ihre kurzen Landgänge sind geprägt vom Kampf um den nächsten Auftrag, der das finanzielle und leibliche Fortbestehen sichern muss.

Denn wer nicht gerade für die großen Transportgesellschaften arbeitet, sieht sich mit einem Preisdruck konfrontiert, der ein ehrliches Leben unter nur selten ermöglicht und einen geradezu in die Illegalität drängt: Ob nun der Schmuggel von Waffen, Drogen und Hehlerware oder das Schleusen von Flüchtigen und KINDlosen, viele Raumer können nur so ihre Existenz sichern — eine Existenz, die dem ständigen Risiko ausgesetzt ist, im Netz der Zollfahnder ein jähes Ende zu finden.

Trotzdem entscheiden sich immer wieder KINDer für diesen Lebensweg. Denn der Raumer ist tatsächlich noch einer der wenigen Karrierewege, der gerade KINDern mit niedrigem Kreditlevel den gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht oder zumindest ein Leben voller Abenteuer beschert.

Das Raumer-Handbuch bietet Erzählern das Handwerkszeug und Hintergrundwissen um eine der klassischsten Varianten von Science-Fiction-Abenteuern im Universum von ULTIMA RATIO — Im Schatten von MUTTER zu kreieren: Die Geschichten rund um eine eingeschworene Raumer-Crew.

Zum Inhalt:
Während Das Lukeanische Reich einen groben Überblick über das gesamte Setting von Ultima Ratio bietet und Auda die namensgleiche Kolonie beschreibt, kümmert sich das Raumerhandbuch um die äußeren Kolonien und die Existenz im All.

Los geht es mit Die äußeren Kolonien. Wie schon in den anderen Quellenbüchern greift man einige Punkte sehr detailliert heraus, z.B. wie man eine Kolonie gründet, welchen Status sie wann bekommen. Das ganze liefert dann auch spannende Ansätze für das Setting (da nach 48 Jahren jede Teilautonome Reichskolonie zur Autonomen Reichskolonie wird, gibt es nach einer Gründungswelle vor 40+X Jahren in Kürze viele autonome Kolonien, welches zu einer deutlichen Machtverschiebung führen dürfte) und fürs Spiel selbst (Wir gründen eine Kolonie!). Außerdem klärt das Kapitel über weitere Außenposten der Zivilisation im Weltraum auf (Bergbaukolonien, militäische Kolonien, Strafkolonien, Raumstationen) und welchen Organisationen man dort begegnen könnte, von Minengesellschaften, Notfallhilfen, Sicherheitsdiensten, Außerlukeanische, Söldner, Kriminelle … Kurzum, ein recht anregendes erstes Kapitel vollgestopft mit verwendbaren Ideen.

Die Crew widmet sich allen Belangen der Raumschiffbesatzung, vom Rechtlichen, Finanziellen (z.B. Heuer), Motivationen, Funktionen an Bord, dem Alltag an Bord (z.B. Kryostase-Phasen), dem Raumer-Kodex (die ungeschriebenen Regeln des Zusammenlebens im Raum). Hier wird eigentlich alles abgedeckt, egal ob als Schmuggler in den äußeren Kolonien, als Angestellter im Raumtransporter oder als Pirat.

Danach wird es crunshiger – Das Schiff stellt 5 Raumschiffe vor und erläutert die regeltechnischen Aspekte. Basis dafür ist der (einseitige) Schiffsbogen, welcher zweigeteilt ist ins das eigentliche Raumschiff und der es steuernden KI, bzw. IVI – Individualisierbare Viertuelle Intelligenz. Das Schiff selbst besitzt 3 Attributen (Beweglichkeit, Panzerung, Sensorik), Status (Hülle, Schild und strukturelle Integrität), einigen Sachdaten (Maße, Besatzung, Geschwindigkeit, Reichweite usw.), die Ladung, Bordwaffen und die Ausbaustufe der sechs Stationen (je I-III). Ein ausgebautes Cockpit erhöht die Reichweite der Kontrolle über Drohnen, Sonden und Androiden und erleichtert das Treffen mit den Bordgeschützen, ein ausgebauter Maschinenraum erhöht die Reichweite und bei den Kajüten steigt die Qualität der Verstecke. Etwas schade, dass nur ein Teil vercruncht ist, ein anderer Teil erzähltechnisch geregelt werden muss. Trotzdem ist es ein einfaches, aber attraktives System, bei der sie SC-Crew nach und nach ihr Raumschiff nach ihrem Geschmack ausbauen kann. Kommen wir zur IVI, der anderen Hälfte des Charakterbogens. Deren Stufe drückt aus, wieviele Androiden sie zeitgleich kontrollieren kann, den Status an Soft- und Hardware (quasi ihre körperlichen und geistigen Lebenspunkte), ebenfalls drei Attribute (Auffassungsgabe, Intelligenz, Reaktion) und insgesamt 30 Fertigkeiten gleichmässig unterteilt auf 6 Kategorien. Abschließend werden noch 5 Raumschiffe vorgestellt, in recht gelungenen eigenen Designs, jeweils halbseitig mit farbigen Bild, Beschreibungstet und Daten.

Die Kampfregeln geben dann auf zwei Seiten wieder, wie sie sich den Raumkampf vorstellen, manches bleibt dabei aber seltsam unkonkret. Die schwierigere Fassrolle kann man machen, um andere Schiffe in sein Zielradius zu kriegen. Dabei geht aus den vorigen Raumschiffen hervor, dass es Waffenanschlüsse mit 360°, 180° und normale (starre, zumeist nach vorn). Ob es für die Fassrolle z.B. einfacher macht, ein 180°-Geschütz zu nutzen statt eines starren. Auch etwas seltsam in der Beschreibung: zuerst werden in umgekehrter Reihenfolge die Handlung festgelegt, um sie dann in Initativereihenfolge durchzuführen. Hierbei wird beschrieben, dass sich IVIs (oder Piloten) mit schlechter Initative fürs Ausweichen entscheiden können, laut Ausführungsphase aber ihre Handlung danach ist (sprich: dann kein Ausweichen mehr nötig ist). Hier hätte ein ausführliches Beispiel gut getan, vielleicht auch, wie man sich die Kampfbuchhaltung darstellen soll – ohne Battlemap, Skizze oder sonstiges klappt das nämlich eher nicht, da fehlt dann wieder ein abstrakteres Raumkampfsystem, wie es z.B. Star Wars liefert, welches ohne größere Buchhaltung über die Positionen auskommt.

In Geschäftliches wird alles rund um den Raumhandel erklärt, angefangen von Hafenämtern, Warentransferkontrollamt oder der Raumschoutei (eine Art Register, welches u.a. Raumfahrer erfasst und genauso ein Vermisstenregister) über Ladecontainer (mit Klima- oder Kryo-Funktion), Rohstoffe und Zwischenprodukten bis zu „Geschäfte machen“, wo auch Punkte wie Verkaufsgespräche, Auftragsbörsen oder Versteigerungen angesprochen werden. Und wer gern eine Wirtschaftssimulation im Hintergrund am Laufen hat, findet hier die nötigen Tabellen dafür.

Aber auch Nebenverdienste werden betrachtet wie Passagiertransport, Kopfgeldjagd oder illegale Aktivitäten wie Schleusen, Plündern, Diebstahl, Daten-Schmuggel oder auch normaler Schmuggel, wobei hier auch nach typische Waren aufgegliedert wurde. Zuguterletzt gibt es noch Bilanzierungstricks (schließlich will es auch verschleiert werden) sowie typische Strafen, die beim Entdecken dieser Nebenverdienste anfallen.

Das Kapitel Reisen geht dann zuerst auf alle Belange rund ums Reisen ein: Proviant, Reisezeiten, Zollkontrollen, Piraten. Anschließend werden potentielle Reiseabenteuer angesprochen und unterschiedliche Aufhänger vorgestellt.

Anschließend folgen noch Kontakte (diverse NSCs vom Hafenmeister über den Dockarbeiter bis zum Piraten), Archetypen (Aspra’ani, ein nomadisches Sternenvolk, welches von den ersten Siedlern abstammt, und Riszxlik, ein insektoides Volk, welches auch häufig als Nomaden lebt) und der Raumschiffbogen.

Die Illustrationen sind eine Mischung aus zugekauften Stockart-Grafiken und selbsterstellten (oder Beauftragten) Illus, aber der Stil in sich ist stimmig wie auch die Qualität – gleiches gilt auch fürs Layout.

Mir gefallen auch die Texte. Die ausgewählten Themen werden detailliert besprochen, aber zumeist mit bezug darauf, wie man es im Spiel nutzen kann oder um den Leser ein Gefühl für das Setting zu geben, nie um des Details willen. Das lukeanische Reich als bürokratischer Überwachungsstaat, unzählige Ämter, alles hat seine Ordnung, alles seine Abkürzung. Das Setting ist plastisch und wirkt lebendig, insofern ist das Raumerhandbuch fluffmäßig eine gute Ergänzung zu den bisherigen Beschreibungen. Regeltechisch hingegen gefällt mir die Mischung nicht. Die wenigen hier präsentierten Regeln könnten vom Platz bei einem regelleichten System ausreichen, hier wird jedoch versucht, ins Detail zu gehen, aber ohne es zu umreißen. Zwei Beispiele, was ich meine: Bei den Raumschiffmanövern wird nicht deutlich, wie sie jetzt genau wirken, bei den Schiffsausbaustufen ist es oft nicht quantifizierbar, was sich nun verbessert hat.

Mein Fazit:
Vom Hintergrund erneut sehr gefällig, eigenständig und es lässt Ideen sprudeln, die Raumkampfregeln sind etwas schwach und optisch braucht man sich nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Und der Preis von 12,95 passt.

Meine Wertung:
4 von 5 Würfel.

6 Kommentare zu „[Rezension] Ultima Ratio – Im Schatten von MUTTER: Raumer Handbuch (Rollenspiel)“

  1. Ich hab mir nochmal die Raumkampfregeln genauer angeschaut. Was an einer Fassrolle schwierig sein soll, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Grundschwierigkeit für die Fassrolle wird mit 10 angegeben (gegenüber 7 für ein normales Manöver).
    Die Probe für das Manöver lautet: Steuerung + Wert Auffassungsgabe + Wert Beweglichkeit des Raumschiffs. Wenn ich die Fassrolle durch die bordeigene IVI eines Standardtransporters ausführen lasse hätte ich z.B. eine Probe 3W4 +3 +4 . Selbst mit 4 gewürfelten Einsers wäre dieses „schwierige“ Manöver gelungen.

    Ich glaube, dass dies ein grundsätzliches Problem der Probenmechanik mit dem W4-Pool + Bonuswerte ist. Durch die geringe Varianz hat man oft automatische Erfolge, wenn die Schwierigkeit nicht extrem hoch ist. Das gilt auch für die normalen Kampregeln. Bei einem Fertigkeitswert Schießen von 7 und einer Geschicklichkeit von 5 trifft man mit einer Waffen-Schwierigkeit von 12 automatisch jedes Ziel im normalen Distanzbereich. Im Kampf dann noch dazu, dass man den Körperstatus von 100 runterknüppeln muss, um einen Gegner auszuschalten. Das sind selbst bei maximiertem Kampfwerten 4-5 Volltreffer um einen Gegner mit Konstitution 4 bewusstlos (Staus 80) zu schießen.

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  2. Ha, ich schrieb ja schwieriger. Also die „10“ gegenüber der „7“ ohne das mir imho klar wird, was der Vorteil ist.

    Die W4-Mechanik ist in der Tat problematisch, weswegen ja auch das (imho) No Go begangen wird, die Schwierigkeit bei steigender Kompetenz ansteigen zu lassen (…).

    Falls Du den SL-Schirm hast, guck mal rein.

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  3. Ich hab irgendwie das seltsame Gefühl, dass hier „Erzählrollenspiel“ mit wilden SL-Handwedeln verwechselt wurde.

    Naja, ich hab schon mal angefangen, mir die ersten Gedanken zu einer Savage Worlds Konvertierung zu machen. 😉

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  4. Hi,

    kurze Erklärung. Die Schwierigkeit wird nicht mit steigender Kompetenz höher. Sie geht von 2 (für einen Laien einfach) bis 45 (für eine Legende unmöglich). Ein einfaches Schloss zu knacken ist für jeden Protagonisten gleich schwer, egal wie hoch seine Fertigkeitsstufe ist.

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