[Interview] Im Gespräch mit Gianni Ventrella (Scherbenfresser, Erzählspiel)

In den letzten Tagen blicke ich ein wenig öfters ins Postfach. Dort erreichte mich eine E-Mail von Gianni, in welcher er mir von seinem Erzählspiel „Scherbenfresser“ erzählte. Kurz entschlossen habe ich ihm einige Fragen zu seinem Projekt gestellt. Hier nun das Ergebnis. Viel Spaß.

Hallo Gianni,
danke das Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Stell Dich doch bitte einmal vor.
Hallo André! Ich möchte dir erst einmal für die Möglichkeit danken, Scherbenfresser vorzustellen. Kurz zu mir: Geboren bin ich in Italien und aufgewachsen in Stuttgart. Hauptberuflich bin ich im Bildungswesen tätig. Nebenberuflich treibe ich mich gerne im Spieldesign herum. Spielen tue ich gefühlt schon immer. Vor allem haben es mir Rollen- und Erzählspiele angetan. Ich bin immer noch davon fasziniert, wie sich ein paar Menschen zum Spielen treffen und am Ende des Abends eine noch nie dagewesene Geschichte steht.

Derzeit läuft eine Vorbestellaktion zum „Scherbenfresser“ Erzählspiel. Was steck dahinter?
In den letzten zwei Jahren habe ich intensiv an Scherbenfresser gearbeitet. Anfangs hatte ich mir ein Jahr dafür Zeit genommen. Ich hatte tatsächlich auch nach einem Jahr ein Regelbuch fertig. Dieses habe ich dann einigen Leuten unter die Nase gehalten. Das Feedback war in Ordnung, aber einige Punkte brachten mich dazu, aufzuhorchen. Also bin ich zurück in die Werkstatt und kam nach einem Jahr wieder mit einem Werk heraus, hinter dem ich voll stehen kann. Kurzgefasst kann man sagen: Ich habe die storytreibenden Fragen zurück zu den Spielenden gegeben. Das Spiel soll ihnen viel Gestaltungsfreiheit für die Geschichte und gleichzeitig immer einen roten Faden bieten.

Nimm uns doch einmal etwas tiefer ins Setting mit. Was erwartet die Spieler*Innen dort?
Gemeinsam haben die „Überlebenden“ einen unfassbaren Schrecken überstanden, doch ihre Erinnerungen sind in Scherben zerborsten. Während sie herausfinden, wer sie selbst sind und was geschehen ist, bahnt sich eine ferne Bedrohung den Weg zu ihnen: Der namensgebende Scherbenfresser. Er steht für das, was sie einholt, wenn sie denken, es wäre längst vorbei!

Was das Spiel ausmacht, ist, das es kein bestimmtes Setting oder Genre vorgibt, sondern eine Rahmengeschichte, die sich immer mit neuen Inhalten füllen lässt. Durch einen Szenariogenerator im Buch, entsteht zu Beginn eines von über 500 möglichen Szenarien. Eines wäre zum Beispiel: „In einer fernen Zukunft auf einem fremden Planeten öffnete sich ein Raum-Zeit-Riss“ Zugegebenermaßen etwas abgefahren, aber wenn man möchte, würfelt man einfach nochmal oder passt das Szenario an die eigenen Wünsche an.

Wie lange braucht die Vorbereitung um „Scherbenfresser“ spielen zu können?
Grundsätzlich braucht sich niemand zur Vorbereitung allein ins stille Kämmerlein zu setzen. Es braucht auch keine feste Spielleitung, wenn die Gruppe das möchte. Die Gruppe setzt sich zusammen, erstellt das Szenario und die Überlebenden und legt dann los. Das kann zwischen 10 und 30 Minuten dauern. Dieses gemeinsame Erstellen versetzt die Gruppe aber schon nach und nach in den Spielmodus und lässt erste Bilder im Kopf entstehen. Die Erschaffung der Überlebenden geht verhältnismäßig fix, denn die zentralen Eigenschaften, die sie ausmachen, entstehen erst während dem Spiel. Scherbenfresser ist als One-Shot Spiel konzipiert. Es soll also an einem Stück zu Ende gespielt werden.

Kannst Du bitte etwas mehr zur Mechanik erzählen?
Zentral sind bei Scherbenfresser die Scherbenmarker. Ich biete passende Teile im webshop an, aber man kann dafür auch jegliches Material wie Papierschnipsel nutzen. Sie sind zu Beginn auf dem Tisch verteilt und stellen die Erinnerungsfetzen dar, die die Überlebenden nach und nach zusammensetzen. Eine Möglichkeit dazu ist, die Eigenschaft eines Überlebenden zu rekonstruieren: Wenn zum Beispiel Elias plötzlich in Panik verfällt, weil er aus heiterem Himmel riesige Angst vor einem magischen Wesen verspürt, nimmt er eine Scherbe in die Hand und bietet sie der Gruppe an. Laura hat gerade eine passende Idee und nimmt deshalb die Scherbe an. Sie erzählt von einer Erinnerung, die diese Eigenschaft bei ihr triggert. Die Beiden könnten einst in die Beschwörung eines Dämons eingebunden sein, die gehörig schiefging. Laura legt nun die Scherbe ins Gesamtbild. So werden die zusammengefügten Scherben in der Mitte des Tisches genannt. Das Gesamtbild stellt dar, wie das Bewusstsein der Überlebenden über sich selbst und ihre Situation anwächst.

Wie die Chancen der Überlebenden zum Schluss gegen den Scherbenfresser stehen, hängt stark davon ab, wie sie miteinander interagieren und die Geschichte zusammengefügt haben. Ein bisschen Zufall ist für den Nervenkitzel auch dabei. Es endet also immer in einer Konfrontation, gegen den Scherbenfresser oder den inneren Dämonen.

Wichtig ist, dass immer erst eine Frage im Raum steht und dann jemand, der möchte, darauf eingeht. Das reicht vom klassischen „Was tust du?“ über „Warum habe ich Unschuldige zurückgelassen?“ bis hin zum „Was ist vom Raum-Zeit-Riss übriggeblieben?“

Was für Charaktere können gespielt werden und wie läuft die Charaktererstellung?
Da die 6 Settings von einer magischen Welt bis hin zu den 90ern reichen, ist das sehr offen. Zu Beginn wird jeweils der Name, das äußere Erscheinungsbild und ein wichtiges Merkmal der Überlebenden festgehalten. Wobei Erscheinungsbild und Merkmale auch ausgewürfelt werden können. Tiefe bekommen die Überlebenden erst während dem Spiel über ihre Eigenschaften und Verbindungen untereinander.

Was erwartet einen, wenn man in die Vorbestellaktion einsteigt?
Ich mag exklusive Inhalte nicht. Ich denke, jeder sollte die Möglichkeit haben, ein Spiel in seiner ganzen Bandbreite kennen zu lernen. Deshalb habe ich mir etwas einfallen lassen, von dem wir alle nicht genug bekommen. Für alle, die das Scherbenfresser Buch oder das komplette Überlebenspaket vorbestellen, gibt es gratis fünf furchteinflößende Scherbenfresser Würfel dazu! Mit ihnen spiele ich Scherbenfresser selbst am liebsten, deshalb ist es auch irgendwie etwas persönliches für mich.

Nach der Veröffentlichung ist vor der Veröffentlichung. Wie wird es mit „Scherbenfresser“ weitergehen?
Die ganze Entwicklungszeit über stand ich in engem Austausch mit der Community. Davon zeugen über 100 Testspieler*innen und einige Autoren, Redakteure und Podcaster, mit denen ich über das Spiel gesprochen habe. Danke euch allen für immer!

Ich habe vor, genauso weiterzumachen. Nach der Veröffentlichung werde ich mein Ohr in die Community halten und schauen, was zurückkommt. Ich habe definitiv die ein oder andere Idee, die ich nach und nach als free content auf die website stellen werde, wie neue Settings oder Einsteigerszenarien. Ich hätte auch Lust auf mehr, das hängt aber auch davon ab, ob die Leute das wollen.

Was planst Du als nächstes?
Da ich alles organisatorische selbst mache, plane ich mir erst einmal Zeit ein, mit Scherbenfresser auf Veranstaltungen zu fahren (sobald wir diesen Schrecken überstanden haben) und für die Spielerinnen und Spieler von Scherbenfresser da zu sein. Nebenbei möchte ich etwas am free content arbeiten. Langfristig möchte ich weitere Spielideen von mir realisieren aber im Moment, bin ich noch voll am Scherben sammeln.

Wo findet man mehr Infos zu „Scherbenfresser“?
http://www.scherbenfresser.de ist eine gute Anlaufstelle, auf der man auch Eindrücke und Berichte von anderen Scherbenfresser Runden einsehen kann. Sonst findet man das Spiel auf Facebook unter Scherbenfresser und mich auf twitter über @giannischreibt. Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich das Spiel mit den sozialen Netzwerken noch nicht wirklich beherrsche. Am besten ihr schreibt mich direkt an. Dann können wir auch gerne zusammen eine Runde Online spielen!

Vielen Dank für Deine Zeit. Die letzten Worte gehören Dir.
Passt auf Euch auf, bleibt gesund und arbeitet eure Piles of shame ab! 😉

Bis bald
Gianni

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Bildquelle: Gianni Ventrella

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