[Rezension] Swords & Wizardry Gesamtregelwerk (Rollenspiel, OSR)

© System Matters

Mensch! Zuerst einmal muss gesagt werden, dass dieses Buch für ein OSR-Buch sowohl von außen als auch im Inneren wirklich gut aussieht. Gut illustriert, gut gesetzt, gut produziert. Da ist einiges an Liebe hineingeflossen.

Eine Cover von Mullen ist nie verkehrt, aber an Innenillustrationen und Layout haben System Matters für die deutschsprachige Fassung nochmal alle Regler auf 11 gedreht. Gerade die Zeichnungen, die über zwei Seiten gehen, sind wirklich ausgezeichnet und sind oftmals noch dazu sinnvoll, da hier gut zu erkennen ist, dass einzelne Themen und Themenbereiche auf Einzel- oder Doppelseiten präsentiert werden.

Das Buch sieht sehr so aus als wäre es ein ordentlicher Regelbrecher, aber die eigentlichen Regeln finden sich hier auf den ersten 58 Seiten. Diese reichen nämlich aus, um Charaktere zu erschaffen und die grundsätzlichen Regeln zu erklären.

Ich glaube dazu wie ein D&D-Charakter aussieht, muss ich nicht viel sagen, denn das hat sich im Groben seither nicht verändert. Ihr erwürfelt (oder bestimmt auf andere Art und Weise) die sechs Hauptattribute Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Weisheit und Charisma und notiert auf dem Charakterbogen die Modifikatoren, die sich dadurch ergeben. Dann wählt ihr eine Charakterklasse: Assassin*in, Dieb*in, Druid*in, Kämpfer*in, Kleriker*in, Mönch*in, Paladin*in, Waldläufer*in und zauberkundige*r. Anschließend das Volk: Elfen, Halbelfen, Halblinge, Menschen oder Zwerg*innen und schreibt sämtliche Besonderheiten, die sich aus diesen Wahlen ergeben, heraus.

Dann bestimmt ihr eure Gesinnung, erwürfelt ihr eure Trefferpunkte und das Startkapital, geht shoppen und bestimmt so den Schaden eurer Angriffe und eure Rüstungsklasse. Fertig. Okay. Das ist nur ganz grob erklärt – es gibt nämlich noch Klassenkombinationen und andere Besonderheiten, aber es sollte reichen, um euch einen Eindruck zu geben.

Anschließend wird die genaue Systematik erklärt wie ein Kampf abläuft – mit satten drei Alternativen für die Bestimmung der Kampfreihenfolge, dann gibt es Tabellen für eure Angriffswürfe und die der Monster und eine ganze Reihe an besonderen Kampfsituationen, bevor es nach einem ausführlichen Spielbeispiel (ich mag die ja immer sehr, um ein Gespür für ein System zu bekommen) und Regeln für hochstufiges Spiel direkt in das wirklich ausführliche Magie-Kapitel geht. Hier bekommt ihr eine Bazilliarde klerikale und arkane Zaubersprüche vor den Latz geknallt, bevor es ab Seite 103 in die Spielleitungs-Abteilung des Buches geht.

Der SL-Teil ist wirklich erschlagend. Eine Wand! Da kann man schonmal davorstehen und staunen – aber seid unbesorgt. Ihr könnt aufatmen. Prinzipiell könnt ihr vorgefertigte Abenteuer mit dem Wissen aus dem ersten Abschnitt spielen.

Auch im Rahmen dieser Besprechung werde ich mich darauf konzentrieren euch nur ein paar besonders interessante Elemente aus diesen etwa 130 Seiten vorstellen. Zuerst gibt es Hinweise darauf wie eigene Abenteuer erstellt werden können – und zwar sowohl Gewölbeabenteuer als auch Wildnisabenteuer. Dazu gibt es wirklich sinnvolle Tipps und es werden sogar noch Monsterlisten angefügt, auf denen die Bewohner*innen des Gewölbes oder der Wildnis ausgewürfelt werden können. Ein kleiner Teil eines Dungeons wird sogar beispielhaft beschrieben und von Günther, der als Redakteur wirklich viel Liebe in diese deutschsprachigeAusgabe gesteckt hat, sogar noch genauer erklärt, für den Fall, dass ihr Probleme mit der Notation der Monsterwerte haben solltet.

In der Folge gibt es einfach Informationen zu allem: Belagerungskämpfe (denn auf hohen Stufen können die Charaktere ihre eigenen Reiche regieren), Luftkämpfe, Schiffskämpfe, …

Besonders wichtig sind in allen Iterationen von D&D natürlich die Monster. (Und ich glaube fast, dass ich unter anderem diesen Abschnitt übersetzt habe, aber das ist schon so lange her, dass ich mich nicht mehr ganz genau erinnere.) Hier findet ihr sämtliche Wesenheiten von A wie Aaskriecher bis Z wie Zwerg*in. Und nicht nur das – auch Tabellen, in denen die Monster nach Herausforderungsgrad sortiert sind, haben den Weg in den Band gefunden, ebenso wie Regeln zur Erschaffung eigener Monster.

Das Kapitel zu Schätzen ist eher kurz und natürlich fehlen die Armschienen der Verteidigung, der Stecken der Schlange sowie der Dolch+1 und die Armbrustbolzen+2 nicht, aber es gibt keine Preise, das magische gegenstände in S&W nichts sind, was du im Laden nebenan kaufen kannst – es ist immer ein großartiges Ereignis, wenn eine Gruppe ein magisches Artefakt findet. Der wichtigste magische Gegenstand folgt fast zuletzt, das „Deck of many things“ oder die „Schicksalskarten“, wie sie hier heißen – ein Kartenspiel, das im Verlaufe der Jahrzehnte sicher schon zahllose Abenteurer*innen auf dem Gewissen haben dürfte. Go, Schicksalskarten!

Abschließend folgen in den Anhängen Charakterbögen, ein zweiseitiges Mini-Setting, die abgedruckte OGL sowie der rechtliche Hinweis darauf wie eigene Inhalte veröffentlicht werden können, eine Doppelseite mit dem Tabellenverzeichnis, ein umfangreiches Übersetzungsglossar in Bezug auf Spieltermini, Maßeinheiten, Monster, Schätze und Zauber, gefolgt von einem Index. Gerade das Glossar ist super. Wirklich sinnvoll, um auch mit etwas weniger umfangreichen Englischkenntnissen die zahllosen im Netz verfügbaren englischen Abenteuer spielen zu können. Ein toller Service.

Und weil Besprechungen, in denen einfach nur der Inhalt wiedergekäut wird, langweilig sind, gibt es noch kurz den Hinweis darauf, dassich schon wirklich viele Runden S&W geleitet und gespielt habe und es wirklich gut von der Hand geht. Nicht nur mit beinharten Oldschooler*innen, sondern auch mit kompletten Newbies und Leuten, die eher aus der DSA-Richtung kommen. Ein gigantischer Vorteil, wieder einen Retroklon in deutscher Sprache verfügbar zu haben, besteht darin, dass ihr damit ohne große Änderungen sämtliche alten D&D-Abenteuer sowie alle neueren Materialien für Retroklone wie OSRIC oder Labyrinth Lord zu spielen. Und – come on – selbst D&D 5-Abenteuer habe ich schon mit S&W geleitet. Nein! Doch! Oh!

MEDIADATEN

…Autor: Matt Finch
…Verlag: System Matters (Mythmere Games)
…Format: A4, gebunden
…Seiten: 244
…Erschienen: 2022
…ISBN: 978-3-96378-107-ß
…Preis: 49,95 Euro

MEINE MEINUNG
Ein annähernd perfektes Rollenspielregelwerk. Sowohl vom Spielwert her, als auch von den Schauwerten und dem historischem Wert. Ihr bekommt die Ur-Fassung von Dungeons & Dragons mit Anmerkungen des Autoren, der sich schon seit Jahrzehnten mit dem Spiel befasst sowie zahllose tolle Illustrationen. Dazu kommen noch tolle Details wie äußerst praktisches und übersichtliches Layout, die für Tabellen genutze Innenseite des Umschlags und das Übersetzungsglossar im Anhang, mit dem sich allerlei oldschoolige Abenteuer in ihrer Originalfassung deutlich einfacher spielen lassen.

In Form von S&W könnt ihr auch heute noch das älteste kommerzielle Rollenspiel der Welt spielen und das ist weit weniger antiquiert als ihr vielleicht denken mögt. Und S&W ist wirklich aufgeräumt, gut erklärt und mit seinen sinnvollen Erläuterungen und Regelalternativen eine absolute Bank nicht nur für OSR-Fans.

Ach ja… „annähernd perfekt“? Eigentlich finde ich nichts zu Mosern, aber ich will mir einfach noch Luft nach oben lassen.

MEINE WERTUNG
4,75 von 5 uralte D&D-Editionen

von: Moritz

L I N K S

Ein Gedanke zu „[Rezension] Swords & Wizardry Gesamtregelwerk (Rollenspiel, OSR)“

  1. Eigentlich finde ich nichts zu Mosern, aber ich will mir einfach noch Luft nach oben lassen.

    Was für ein Schlag ins Gesicht des Autors. Ist Moritz etwa Schwabe, denn nicht geschimpft ist Lob genug?

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