Im Gespräch mit David Ruschkowski (Maleficium)

In den letzten Wochen war es an dieser Stelle, aus verschiedensten Gründen, etwas ruhiger. Aber ich war nicht untätig. So ist mir dann auch David vom Maleficium Rollenspiel über den Weg gelaufen. Da sich dieses derzeit in der Krautfinanzierung befindet, habe ich die Chance genutzt und ihm ein paar Fragen gestellt. Viel Spaß, und wer mag, darf ein paar Euronen in Davids Hut werfen.

Hallo David, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Stell dich doch bitte kurz vor.
Hallo André, ich bin 34, wohne in Herne, habe einen Hund, und zu meinen Hobbies gehören Musik (momentan eher weniger auf der kreativen Seite) und Spiele. Ich versuche so oft zu spielen wie es geht, als Kind und Jugendlicher hauptsächlich Videospiele, aber Gesellschaftsspiele waren am Rande immer mit dabei. Eins meiner Favoriten bis heute, Das Siedler von Catan-Kartenspiel, habe ich damals bekommen, als es noch recht neu gewesen sein muss. Da kann ich noch keine 10 Jahre alt gewesen sein. Mittlerweile spiele ich bevorzugt analoge Spiele, also Rollen-, Brett- und Kartenspiele, eigentlich ganz egal. Auch im Tabletop habe ich mal reingeschnuppert. Mein Lieblingsspiel ist Android: Netrunner.

Wie bist du zum Rollenspielen gekommen?
Über Familie. Ich kann mich nur noch vage erinnern, aber mein Bruder hat mich damals mit zu einer DSA-Session genommen. Mein erster Charakter war ein Jäger, der am Rande des Weges stand und bei der nächstbesten Abenteuergruppe angeheuert hat. Das Warum spielte nur eine untergeordnete Rolle. Aber es hat Spaß gemacht.

Zur selben Zeit habe ich im Badmintonverein mit einem Freund begeistert über Rollenspiel und die Möglichkeiten dieser neuartigen, für uns beinah magischen Form des Spiels gesprochen. Sowas wie RPG war uns damals noch nicht untergekommen und ich war einfach beeindruckt von den Möglichkeiten und Freiheiten, die Rollenspiele boten. Wir haben also schnurstracks ein paar Freunde zusammengetrommelt und eine Runde gegründet. Ich war SL und habe ein Einführungsabenteuer für Dungeons & Dragons, das damals in der Schachtel von Baldur’s Gate 2 beigefügt war, für DSA konvertiert (mit einem seeeeeehr langen eigens geschriebenen Einführungstext). Als ich dann das erste Mal dran war, einen Charakter in der Runde zu verkörpern, hat es richtig gezündet. And the rest is history, as they say.

Kurioserweise war es eine Gruselszene mit einem Geist auf einem Dachboden, die mich in seinen Bann gezogen hat. Die DSA 4-Spieler wissen wohl, welche ich meine. Es scheint also passend, dass mein erstes veröffentlichtes Spiel dem Horrorgenre zuzuordnen ist.

Es ist ja nicht beim Spielen geblieben, sondern du schreibst gerade ein Rollenspiel. Wie heißt dieses und worum geht es? Sag doch ein wenig mehr zum Setting.
Maleficium heißt das Spiel, das ich gerade schreibe. Da geht es um Figuren, die verflucht sind und im Angesicht ihrer eigenen Schwächen und Makel einen Weg finden müssen, sich von diesem Fluch zu befreien. Auf dem Weg dahin legt der SL ihnen Steine in den Weg, sei es in Form von Monstern, böser Magie, Kultisten, Tentakelviechern oder Cyborgs – Cyborgs nicht etwa deshalb, weil Maleficium ein Kitchen Sink-Setting hat, sondern settingunabhängig ist. Grundsätzlich ist jede Welt und jede Zeit für ein Szenario denkbar, solange es dort sowas wie Flüche gibt. Der Fluch muss dabei aber nicht unbedingt Magie oder Hexerei darstellen. Eine abgelegene Raumstation, wo die Besatzung von einem Alienparasiten infiziert wird, ist beispielsweise auch denkbar.

Bei Maleficium stehen die Spielercharaktere unter Zeitdruck, weil sich der Fluch mit der Zeit natürlich noch intensiviert und sie irgendwann ganz zugrunde richten kann. Szenarios dauern daher nur wenige Spieleabende an. Ein Spielleiter präsentiert klassischerweise Welt und Gefahren und bis zu vier Spieler können teilnehmen.

Nimm uns doch bitte einmal in dem Charakterbau und –entwicklung mit. Wie geht dies vonstatten? Was kann gespielt werden und was nicht?
Jeder Spielercharakter hat drei Wesenszüge, Körper, Verstand und Seele, die von 1 bis 5 reichen und auf die man bei der Charaktererschaffung Punkte frei verteilt. Danach werden Schwerpunkte für den Charakter definiert, um ihn weiter auszugestalten. Die werden frei formuliert und können Fertigkeiten darstellen, aber zum Beispiel auch Persönlichkeitsmerkmale, die von Vorteil sein können. Schwerpunkte können Proben erleichtern, aber deren Einsatz ist mit einem gewissen Risiko verbunden.

Darüber hinaus sucht sich der Spieler zwei der im Spiel erhältlichen Charakterkarten aus. Diese Karten muss der SL beim Wirken des Fluches spielen, um dem Charakter zu schaden. Es gibt:

Der Narr
Der Magier
Die Hohepriesterin
Die Herrscherin
Der Herrscher
Der Hierophant
Der Eremit
Der Gehängte

Charaktere bei Maleficium sind keine Actionhelden, sondern mit Fehlern behaftet, die eine große Rolle im Szenario spielen können, daher formuliert jeder Spieler für seinen Charakter dessen größte Angst, größten Fehler und größte Schwäche. Diese drei Punkte liefern solide Anhaltspunkte für die Persönlichkeit des Charakters und sind einerseits eine Spielhilfe für den Spieler, andererseits aber auch eine Inspirationsquelle für den SL. Er kann die Antworten, die die Spieler auf diese drei Fragen geben, beispielsweise bei der Ausgestaltung seiner Flucheffekte einsetzen.

Die Effektkarte Der Teufel bewirkt beispielsweise, dass der SL den Spielercharakter für kurze Zeit kontrollieren kann. In einem stockdunklen Höhlensystem könnte sich einer der SCs zum Beispiel durch den Einfluss der Karte von der Gruppe trennen und ohne Licht dann seiner größten Angst gegenüberstehen, der Blindheit.

Eine nennenswerte Charakterentwicklung gibt es nicht, weil die gespielten Abenteuer sehr kurz sind. Der SL kann den Spielern aber erlauben, sich neue Schwerpunkte aufzuschreiben, indem er bei Proben gezogene Karten entsprechend interpretiert.

Nun lass uns doch mal einen Blick auf die Regeln werfen. Was erwartet die Spielenden hier?
Ist das Ergebnis einer Handlung unklar, wird ein passender Wesenszug des betreffenden Charakters geprobt. Man zieht nun eine Karte vom gemeinsamen Kartendeck und deckt diese auf. Es gibt drei Informationen, die auf der Karte relevant sind: Wert, Farbe und Ausrichtung.

Der Wert wird mit dem Wesenszug addiert, um einen Schwellenwert zu erreichen oder zu überschreiten. Wenn das gelingt, ist die Handlung gelungen, ansonsten nicht.

Farbe und Ausrichtung sind in Bezug auf Nebeneffekte von Bedeutung, die bei den meisten Proben zusätzlich zum Tragen kommen. Die Farbe bezieht sich dabei auf einen Aspekt des Charakters oder seiner Umgebung und zwar wie folgt.

Kelche: andere Charaktere
Münzen: Materielles oder Körper
Schwerter: Verstand
Stäbe: Seele

Die Ausrichtung sagt aus, ob der Nebeneffekt positiv oder negativ ist. Wurde die Karte richtig herum gezogen, passiert etwas Gutes, wurde sie umgekehrt gezogen, passiert etwas Schlechtes.

Hervorheben möchte ich auch den Fluch höchstselbst: Der SL sammelt im Laufe des Szenarios große Arkanakarten. Hat er genug davon in seinem Besitz, kann er diese als Set aus Charakterkarte, Effektkarte und Zusatzkarte spielen und die schädlichen Effekte des Fluchs zur Geltung bringen. Der Spieler ist dabei aber nur betroffen, wenn er von diesen drei Karten verdeckt die Effektkarte zieht. Und je höher seine Fluchstufe ist, desto häufiger muss er ziehen! (die Karten werden neu gemischt, wann immer der Spieler von ihnen zieht).

Diese großen Arkanakarten, die die Macht des Fluchs repräsentieren, erhält der SL, indem die Spieler vom Kartendeck ziehen. Sie erhöhen außerdem die Fluchstufe des Charakters, wenn dessen Spieler sie umgekehrt zieht. Jede Probe ist für die Spieler also immer mit einem Risiko verbunden. Und hier wird auch deutlich, warum sich Spieler beim Einsatz ihrer Schwerpunkte in Acht nehmen müssen. Die erlauben dem Spieler nämlich, bei einer Probe eine neue Karte zu ziehen, wenn ihm die erste nicht gefällt. Eine neue Karte bedeutet eine höhere Erfolgschance, aber auch eine höhere Chance, den Fluch zu verschlimmern.

Jedes Rollenspiel hat auch Grenzen. Wo liegen diese bei Maleficium?

Mit Maleficium kann man keine Kampagnen spielen. Ein Szenario dauert lediglich ein bis wenige Spieleabende. Ich finde, dass Horror vor allem in kleinen Happen richtig zündet. Zudem ist nicht jeder denkbare Fluch für das Spiel geeignet. Durch einen Schadenszauber zu ewiger Armut verdammt zu sein wäre ein Beispiel dafür. Der Fluch muss schon etwas sein, das die Spielercharaktere entweder körperlich oder geistig gänzlich und endgültig aus dem Spiel entfernen kann, Lykanthropie oder Vampirismus zum Beispiel. Und allein die Tatsache, dass sich bei Maleficium vieles um den Fluch dreht, ordnet das Spiel ja bereits als etwas Spezielles ein, das nicht zwangsläufig jede Art von Gruselgeschichte abbilden kann.

Tauchen wir doch mal in die Entwicklung ein. Was war bis dato das größte Problem und wie hast du dies gelöst?
Das größte Problem war die Überlegung, wie ich die großen Arkanakarten, also Karten wie Den Narren, Die Gerechtigkeit, Den Turm und so weiter, regeltechnisch einarbeiten kann. Unter den Tisch fallen lassen konnte ich die nicht, denn wofür dann überhaupt ein Tarotdeck benutzen? Anfangs war die Überlegung, die Karten tatsächlich wie beim Kartenlegen anhand ihrer Motive zu interpretieren. Die Idee habe ich aber schnell fallen gelassen, weil ich dem SL diese Arbeit nicht antun wollte.

Es sollten also klare Regeleffekte her, und zwar von der Art, die sich Zahlen zu Nutze macht oder bereits bestehende Regeln abändert oder aushebelt. Der Fluch war eine Möglichkeit, diese Regeleffekte zu legitimieren. Warum erhält man Schaden, wenn man den Tod zieht? Naja, man ist eben verflucht. Jetzt muss sich der SL für das Szenario, das er leitet, nur noch überlegen, wie genau sich diese Regeleffekte im Narrativ auswirken.

Was ging dir am leichtesten von der Hand?
Das Ausformulieren der Regeln fiel mir zu meiner eigenen Überraschung recht einfach. Ich hatte anfangs nur ein einziges Dokument, in dem ich die Regeln ungefähr in der Menge, wie sie jetzt auch im Spiel enthalten sind, in Stichpunkten gesammelt hatte. Das Ausschreiben ging dann vergleichsweise schnell. Ich habe die Texte danach aber noch viele Male gelesen und überarbeitet, in Bezug auf Stil einerseits, aber auch auf Verständlichkeit und Prägnanz. Das war widerum zeitaufwändig, hat mir aber Spaß gemacht. Und wenn Arbeit Spaß macht, wird sie ja auch automatisch einfacher.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, möchtest du Maleficium als Crowdfunding realisieren. Wieso dieser Schritt? Warum kein Verlag?
Ich habe mich bei Verlagen gemeldet, aber da fehlte einfach die Resonanz. Ein Crowdfunding zu starten war für mich schon ein großer Schritt und alleine hätte ich ihn vielleicht auch gar nicht gewagt. Mein Hobby in Sachen Spiele hat sich bisher auf das Schreiben von Regeln und Erfinden von Welten beschränkt – also im Grunde genommen das, was die meisten Rollenspieler ohnehin schon tun. Daher hätte ich nichts gegen die Umsetzung durch einen Verlag gehabt.

Zum Glück habe ich aber jetzt einen Freund mit an Bord, der Ahnung mitbringt. Er war auch schon an einem anderen Crowdfunding beteiligt, das sehr erfolgreich verlaufen ist und sein Crowdfunding-Ziel von 25.000 € mehr als verdoppelt hat. Googelt doch mal Trink–Genosse, vor allem, wenn ihr im Raum Köln wohnt.

Das Geld wird benötigt, um das Artwork für das Spiel zu finanzieren. Die wird aus der Feder von Rüdiger Neick stammen. Er ist ein professioneller Künstler aus dem Osten der Republik, der mit der Methode des Schabkartons – schwarze Tusche wird von einem weißen Hintergrund weggekratzt – sehr detaillierte, atmosphärische Bilder kreiert. Mir fehlt die Expertise, um Kunst zu bewerten und zu analysieren, deswegen schlage ich dem Leser vor, dass er oder sie sich einfach selbst überzeugt: https://www.recknitzthal.de/de/

Mal kühn gefragt, in welchem Zeitraum willst du das Ganze umsetzen? Wann sollen die Finanzierenden etwas in Händen halten?
Rüdiger wird im Oktober die Bilder malen. Bis dahin arbeite ich weiter am Satz des Buches und es wird auch noch viele Spieltests geben, von denen ich sicherlich Feedback noch werde integrieren können. Zu Weihnachten soll das Buch dann erscheinen.

Vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir.
Ich habe für das Interview zu danken. Wem gefällt, was ich hier zu sagen hatte, der kann ja mal auf meiner Website vorbeischauen (https://maleficium-spiel.info). Dort gibt es einen Newsletter und einen Link zum Discordserver des Spiels, wo ich Ankündigungen mache, zum Beispiel zu Testspielen. Vielleicht sehe ich den einen oder anderen Leser ja sogar in Person. Den Link zum Crowdfunding findet ihr hier: https://www.startnext.com/maleficium.

Ich wünsche den Lesern noch einen schönen Tag, viel Spaß bei einem der besten Hobbies der Welt, und dass ihnen die Karten immer richtig herum liegen.

Hinweis: Die Grafiken wurden durch
David gestellt und unterliegen Copyright.

3 Kommentare zu „Im Gespräch mit David Ruschkowski (Maleficium)“

  1. Ich würde ja sagen, da hast du ein echt vielversprechendes Spiel gefunden, aber der David hat sich ja wirklich jedem Blogger an den Hals geworfen…

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      1. Das war nur Spaß, aber jetzt lag ich wirklich richtig… Ladet mich in den Podcast ein und macht Weihnachten eine „our predictions 2024“-Folge!

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