
Irgendwann ist es im Leben eines Jugendlichen so weit, dass die Schwelle zum Erwachsenwerden in greifbare Nähe rückt und Fragen sich beginnen in den Vordergrund zu drängen, von denen man sich wenige Jahre zuvor noch gar nicht vorstellen konnte, dass sie eines Tages an Wichtigkeit gewinnen könnten: Wer will ich sein? Wo will ich hin? Was erwarte ich vom Leben und was erwartet es von mir? Im Falle eines Beyond the Wall und andere Abenteuer war die Frage noch recht eindeutig: Beschütze dein Dorf und deine Lieben vor den umliegenden Gefahren!
Doch was, wenn eben jene Gefahren gebannt sind und nichts mehr beschützt werden muss? Kehrt man, als wäre nichts gewesen, einfach zum Alltag über und unterstützt Mutter und/oder Vater weiterhin in der Schmiede oder in der Schankstube? Oder lockt er, der ferne Ruf des Abenteuers, der dazu ermutigt, hinauszuziehen und die Grenzen des Bekannten zu überschreiten? In die Ferne, die erste große Erweiterung zum äußerst spaßigen Beyond the Wall und andere Abenteuer-Rollenspiel, beantwortet diese Frage mit einem klaren „ja“. Denn allein der Name der Publikation lässt schon vermuten, worum es hier geht: Die Charaktere in die große, weite Welt zu führen, um diese zu erkunden und in ihr epische Questen erleben zu lassen. Kurzum: Richtige Kampagnen auf die Beine zu stellen.
INHALT
Dabei stützt sich der Erweiterungsband aber nicht etwa auf eine vorgefertigte und sofort startbereite Welt – hier ist die eigene Fantasie gefragt, denn in erster Linie ist alles um das Dorf herum ein riesiger, frei definierbarer Sandkasten, der einzig dem Ideenreichtum der Spieler*innen unterworfen ist. Daher widmet sich das erste Kapitel von In die Ferneauch der zentralen Frage, wie eine Sandbox sinnvoll und abwechslungsreich mit Leben gefüllt werden kann. Welche Hauptschauplätze wie z.B. Städte, Ruinen oder Monsterhorte, befinden sich in der Umgebung? Welche Besonderheiten könnten sie beherbergen? Befinden sie sich in einer Moorlandschaft oder sind sie umringt von dichten Wäldern? In welchen Beziehungen stehen sie gegebenenfalls zueinander? Wem (oder was) könnte man dort begegnen und weshalb? Wie lassen sich Ereignisse dynamisch in die Spielwelt integrieren? Und, eine der wichtigsten Fragen überhaupt: Welche Motivation haben die Charaktere eigentlich, in die Ferne zu ziehen und einen solchen Schauplatz zu besuchen?
Wichtig hierbei ist, dass all diese Fragen nicht allein durch die Spielleitung, sondern durch gemeinschaftliche Überlegungen beantwortet werden sollen. Ähnlich wie im Grundregelwerk stehen auch hier Mechanismen zur Verfügung, mit deren Hilfe sich relativ schnell eine Welt „zusammenbauen“ lässt. So können die Spieler*innen beispielsweise reihum von ihrem Dorf als Zentrum ausgehend, eine Himmelsrichtung und eine Entfernung (nah, mittel, fern) wählen. An dieser Stelle befindet sich jeweils ein Hauptschauplatz, der auf der beigefügten Hexfeldkarte – die auch auf der Homepage von System Matters heruntergeladen werden kann – markiert wird. Anhand einer Zufallstabelle wird nun bestimmt, um was für eine Art Schauplatz es sich dabei handelt. Im nächsten Schritt entscheiden die Spieler*innen, ob sie etwas über diese Schauplätze bereits in Büchern gelesen, etwas über sie gehört oder sie sogar leibhaftig gesehen bzw. besucht haben. Ein Probenwurf auf die dahinterstehenden Attribute Intelligenz, Charisma und Weisheit entscheidet, wie korrekt und wahrheitsgetreu die Informationen darüber tatsächlich sind. Ist der Wurf beispielsweise um einen Wert von mindestens 10 misslungen, so liegen dem Charakter völlig falsche Angaben vor. Die Ruine eines alten Herrschaftssitzes, in dessen Katakomben große Schätze liegen sollen, könnte sich also bei einem Besuch als verfallenes Gebeinhaus entpuppen, in dem grausige und gefährliche Untote ihr Unwesen treiben. Welche Informationsschnipsel über die jeweiligen Schauplätze vorliegen, entscheiden die Spieler*innen. Hierzu suchen sie sich den Schauplatz eines/einer anderen Spielers/Spielerin aus und bestimmen, was (vermeintlich) darüber bekannt ist.
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