[Rezension] Das Dungeon-Alphabet

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Er gehört zum Pen-and-Paper-Rollenspiel dazu wie das Spiegelei zu einem Strammen Max: Der Dungeon. Ob in Form eines dunklen, aber überschaubaren Kellerverlieses oder in der eines gigantischen, verzweigten Höhlensystems, über Jahrzehnte hinweg und auch heute noch regt er die kreativen Synapsen vieler professioneller wie semi-professioneller Autor*innen an. In den Anfangsjahren des Rollenspiels war er gar das Instrument der Wahl, um für viele unterhaltsame Spielabende (und vorzeitige Charaktertode) zu sorgen. Denn in seinem Inneren lauerten nicht nur eine Vielzahl verschiedenster Monster und geschickt platzierter Fallen, sondern es lockte insbesondere die Aussicht auf große Schätze und mächtige Artefakte.

In modernen Rollenspielen bzw. Abenteuern ist der Dungeon längst nicht mehr das zentrale Element, sondern dient in einem kleineren Maßstab hauptsächlich als Nebenschauplatz, bei dem zudem Wert auf einen nachvollziehbaren Aufbau gelegt wird. Die „Verrücktheit“ von damals, bei der hinter jeder morschen Tür Untote, Gallertwürfel oder magische Anomalien gewartet haben, ist einer gewissen Rationalität und, ja, auch ein Stück weit dem Realismus gewichen.
Bis vor einigen Jahren die OSR-Welle angerollt kam und über die Welt der Rollenspiele hinwegschwappte. Regelarme, schnelle (aber nicht minder tödliche) Systeme auf Basis der ersten D&D-Edition wurden mit einem Mal wieder attraktiv – und mit ihnen auch die „weirden“ Dungeons von einst.
Zu den großen Fans dieser Zeit gehört auch der Amerikaner Michael Curtis, der im Jahr 2009 mit dem Dungeon Alphabet (DA) nichts anderes als eine Liebeserklärung an die Dungeons alter Schule geschrieben hat. In der Originalfassung mittlerweile in der vierten Auflage bei GOODMAN GAMES erschienen, schnappte sich 2021 der SYSTEM MATTERS VERLAG die Lizenz und übersetzte das Werk ins Deutsche. Kann es auch in dieser Version überzeugen?

INHALT
Um dieses Fazit gleich vorwegzunehmen: Ja, ja und nochmals ja! Übersetzer Florian Graf sowie die Redaktion des SYSTEM MATTERS VERLAGS haben hervorragende Arbeit geleistet. Alle Texte lesen sich flüssig, schlüssig und ausformuliert, nichts holpert oder rumpelt. Auch der im Original immer wieder durchblitzende Humor konnte gekonnt eingefangen und übertragen werden. Großes Lob!  Aber worum, zur Falltür nochmal, geht es hier denn überhaupt?
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei dem DA um eine Sammlung verschiedenster Zufallstabellen, die Spielleiter*innen dabei helfen sollen, Dungeons mit Leben und Inhalten zu füllen. Aber das wäre zu kurz gegriffen. Ziel des Werkes von Michael Curtis ist es, das Flair der urigen Dungeons aus den Anfangstagen des Rollenspiels einzufangen und zu transportieren, also aus jener Zeit, in der alles ein wenig anders war.

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[Rezension] Dungeon Crawl Classics (Rollenspiel, deutsche Ausgabe)

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Als Dungeon Crawl Classics, liebevoll DCC genannt, im Jahr 2012 bei Goodman Games erschien, wurde schnell klar: Dieses Rollenspiel alter Schule ist nix für Weicheier. Denn Charaktere können hier schneller sterben als man „Es ist eine Falle!“ rufen kann; quasi hinter jeder Tür – oder oft auch direkt davor – lauert der Tod. Wer grundsätzlich sehr an seinen Charakteren hängt, dürfte hier den ein oder anderen Schockmoment erleben. Mitte 2018 kündigte der Gelsenkirchener Verlag System Matters an, das Regelwerk auf Deutsch veröffentlichen zu wollen – was Ende 2019, nach einer erfolgreichen Vorbestellaktion, auch umgesetzt wurde. Gefällt das knüppelharte RPG also auch in deutscher Sprache?

INHALT
Wer die deutsche Version des ohnehin schon gut im Futter stehenden, englischsprachigen Originals in die Hand nimmt wird schnell feststellen, dass der in 9 Kapitel unterteilte Regelwerk-Brocken aufgrund der Übersetzungsarbeit nochmals um einige Seiten gewachsen ist und somit ein paar Gramm zusätzlich auf die Waage bringt. Puh! Wer keine Hanteln zur Hand hat, aber gern etwas für die Armmuskulatur tun möchte, kann daher bedenkenlos zum deutschen DCC-Regelwerk greifen.

Vom Inhalt her weicht die Übersetzung natürlich nicht von der Urfassung ab: Nach wie vor handelt es sich um ein Rollenspiel, das auf einer stark gestrafften und modifizierten Version des D&D 3E-Regelwerks basiert und das von Gary Gygax‘ legendärem „Apenndix N“ inspiriert wurde – jenem Anhang im AD&D Dungeon Masters Guide von 1979, in dem Gygax zahlreiche Autoren und literarische Werke auflistete, die den Schaffungsprozess von Advanced Dungeons & Dragons maßgeblich beeinflussten. Und wer diese Werke und ihre Schöpfer nicht in Ehren hält und sich offen zu ihnen bekennt, solle DCC am besten beiseitelegen – dazu rät Spieldesigner Joseph Goodman höchstselbst.

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