[RSP-Rezension] Dracolith – Eine Finsterland-Kampagne

Herausgeber: Georg Pils
Autoren: Anette Meister, Markus von Leon
Illustrationen: Eleonore Eder, Lukas Hofreiter, Chris Gmeiner
Verlag: Verlag Georg Pils
Art: Gruppenabenteuer für 3-6 fortgeschrittene Spieler
Format: Softcover A4
Seitenzahl: 72
Erschienen: Mai 2015
ISBN: 978-3950327083
Preis: 15,90 Euro

von: kris

Finsterland ist ein „Pen-und-Paper“-Rollenspiel, dass sich wohl am ehesten der „Steamfantasy“ zuordnen lässt. Eine Welt, die mehr oder weniger dem Europa in der Zeit der industriellen Revolution gleicht, trifft auf Magie und alte Wesen, die Mythen zu sein scheinen, aber durchaus real sind: Drachen.

Klappentext:
Dracolith! Eine geheimnisvolle Substanz, die angeblich die Energie und Macht der Alten Drachen bündelt. Ein Stück dieses höchst seltenen Materials ist ausgesprochen wertvoll. Sammler zahlen ein Vermögen für einen vollständigen Stein. Aber ist das die ganze Wahrheit? Es ist an den Charakteren, die Mysterien des Dracoliths zu erforschen und ein unheilvolles Schicksal abzuwenden, das die ganze Welt vernichten könnte! Dracolith ist eine Kampagne für das Finsterland-Rollenspiel. Sie besteht aus drei Abenteuern und Zusatzmaterial. Um dieses Buch zu nutzen, benötigen Sie das Finsterland-Grundbuch sowie den Almanach der Zauberkunst.

Zum Inhalt:
Ausdruck des wissenschaftlichen Fortschritts sind Luftschiffe und Maschinen, aber auch die magische Kunst hat noch ihren Stellenwert im Ringen um die Macht jenseits des gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs. Die Helden selbst stehen irgendwo dazwischen, sind Glücksritter oder Detektive – jedenfalls immer da, wo es Geheimnisse zu klären oder aber Aufträge zu erfüllen sind. Ein solcher findet sich in „Dracolith“, der ersten „Finsterland“-Kampagne.

Dracolith ist ein seltenes und außergewöhnliches Gestein, für das Sammler und Zauberer Höchstpreise bezahlen, denn es ist nicht nur kaum zu finden, sonder auch ausgesprochen magisch – gerade gefährliche Rituale gelingen damit besonders gut. Es heißt, die Substanz stamme noch aus der Zeit der alten Drachen und bündle deren Macht und Arkane Energie. So ist es kein Wunder, das viele es begehren und es in ihre Hans bekommen wollten.

Zu diesen Menschen gehört offensichtlich auch ein reicher und verschrobener Juwelenhändler namens Gaspardi, der den Charakteren den Auftrag gibt, für seiner Sammlung nach Dracolith zu suchen.

Er will sie dafür natürlich fürstlich entlohnen, doch ist das wirklich alles? Steckt nicht vielleicht sogar mehr dahinter?

Im Verlauf ihrer Suche entdecken die Helden nämlich nicht nur die Wahrheit sondern auch die Spuren eines Planes, der die Welt schneller als gedacht in den Untergang stürzen könnte. Und so entwickelt sich ein einfacher Privatauftrag schon bald zu einer Kampagne, die jeden, der an ihr teilnimmt alles kosten kann …

Der Abenteuerband umfasst drei eng miteinander verbundene Abenteuer, die es in sich haben – aus diesem Grunde sind diesmal keine Einsteiger- sondern bereits erfahrene Spieler und Helden gefragt. Auch der Spielleiter muss sich gut vorbereiten und die Grundregeln, aber auch den Almanach der Zauberkunst bereit halten.

Zudem betonen die Autoren, dass die gesamte Kampagne nur dann zu verstehen ist, wenn die Gruppe zuvor das Abenteuer „Der Herr der Sphären“ durchgespielt hat. Denn dadurch sind die Spieler bereits mit dem magischen Hintergrund der Welt vertraut und wissen, dass viele okkulte Schriften und Legenden einen durchaus wahren Kern haben, dass auch die Drachen nicht nur Gestalten aus einem Märchen sind.

„Gaspardis Angebot“ dient als Einführungsabenteuer, beginnend mit einem klassischen Szenario, das erst nach und nach die Richtung ändert und das vorbereitet, was noch kommen wird. Die Helden dürfen sich als Detektive betätigen, hier sind ihre sozialen Fähigkeiten mehr gefragt als andere Dinge, denn es gilt in erster Linie Leuten Informationen zu entlocken. Erst zum Ende hin kommen auch die magischen Fähigkeiten zum Zuge.

Ähnlich sieht es auch in „Staub und Vergangenheit“ aus – während es in „Ritualleuchten“ dann wirklich zur Sache geht … und die Charaktere all ihr Wissen und Können in die Waagschale werfen müssen, um das Verhängnis aufzuhalten.

Grob gesehen bedient der Plot natürlich eines der klassischen Kampagnenthemen – alles beginnt mit einem eher harmlosen und unscheinbaren Auftrag, durch den die Helden ungewollt in mehr Schwierigkeiten geraten als ihnen lieb ist und am Ende dazu berufen sind, wieder einmal die Welt zu retten.

Aber genau solche Geschichten funktionieren immer wieder und machen Spaß, wenn die Autoren Spielern und Spielleiter genügend Freiheiten lassen, aber auch selbst einiges an Ideen einbringen, die man bisher nicht in dem Zusammenhang gelesen hat. Das gelingt in der „Dracolith“-Kampagne erstaunlich gut. Auch wenn die Szenarien vorgegeben sein mögen, es gibt immer Ausweichmöglichkeiten, die auch angesprochen werden. Zudem nehmen die Autoren Rücksicht auf das besondere Ambiente der Welt – immerhin können die Helden und Schurken hier auf mehr als nur Magie zurückgreifen.

Mein Fazit:
Das angebotene Material ist ausreichend und überschaubar genug für den Spielleiter. Diverse Anregungen und ausführlichere Erläuterungen könnten auch dazu verleiten, eigene Abenteuer auf die Kampagne aufzubauen.

Der Meister sollte jedoch besonders versiert darin sein, Figuren zu spielen, denen die Helden begegnen, denn die Abenteuer leben in erster Linie von der Interaktion miteinander und weniger von Action durch inszenierte Kämpfe, auch wenn zu jedem Showdown durchaus auch eine kriegerische Auseinandersetzung gehört.

Interessant ist auch das zur Kampagne erfundene Kartenspiel, das sicherlich auch zwischendurch für viel Unterhaltung sorgen kann.

Wer sich gerade erst „Finsterland“ zugelegt hat, wird sich sicherlich auf die „Dracolith“-Kampagne freuen, denn sie führt wie keine andere in die Welt, ihre Geheimnisse und Mythen ein, kann durchaus auch Anregung für eigene Abenteuer werden.

Meine Wertung:
4 von 5 Dracolithen

[Rollenspiel-Rezension] Finsterland Compendium der Curiositäten

Autor: Georg Pils, Gregor Eisenwort, Anette Meister, Michael Prammer
Verlag: Eigenverlag
Erschienen: 2014
Format: Softcover A4
Seitenzahl: 208
ISBN13: 978-3-9503270-7-6
Preis: 25,- €

von: Greifenklaue

Nach dem Handbuch der Technologie und dem Almanach der Zauberkunst folgt mit dem Compendium der Curiositäten das dritte Quellenbuch (mit reichlich Abenteuerkost – etwa 200 Plothooks und kurze Abenteuer warten hier!!!) für das österreichische Steampunk-Rollenspiel Finsterland. Das ganze im Softcover auf 208 Seiten für 25 Euro im Eigenverlag.

Den Auftakt macht eine einstimmende Kurzgeschichte und ein Errata auf zwei Seiten mit kurzen Regelfragen und Antworten, die im Zuge der bisherigen Veröffentlichungen aufgekommen sind.

An zweiter Stelle mit knapp 80 Seiten wird die Stadt Alexanderstadt bzw. Alexandragrad vorgestellt, die Hauptstadt der Finsterlande. Bezirk für Bezirk wird erforscht, immerhin 19 gibt es davon. Das klingt langatmiger als es ist, der Aufbau ist etwa ein kurzer Ingametext, eine allgemeine Einleitung, eine Vorstellung der wichtigsten Bauten, eine Detailkarte und – vorbildlich – jeweils 5 Plothooks, oft kleine aber feine Ideen. Z.B. soll ein Park niedergerissen werden und die SC werden um Hilfe gebeten oder die Expertengruppe auf der Suche nach einem verschollenen Buch ist verschwunden. Zusammen mit den etwas kompakter beschriebenen Vorstädten macht allein das schon 100 Plothooks.

Das Compendium wird auch genutzt, um die Spielwelt näher vorzustellen, so z.B. das Geld im Finsterland, die Landwirtschaft sowie die zwei gegenseitig sich spinnefeind seienden Organisationen Leoniden und Kaiserliche. Beim Geld z.B. heißt das ein Blick auf die Historie, der Kaiserlich-Priviligierten Bank, quasi die Zentralbank, die Inflation des Geldes, die Einkommenssituation der Bürger sowie das Bankwesens. Abgeschlossen wird das jeweilige Thema mit weiteren Plothooks, hier kommen insgesamt 19 zusammen.

Wie in den bisherigen Quellenbänden auch bringt der Spielerteil neue Beispielcharaktere, Spezialmanöver (eine Art Talentgebiet), neue Hintergründe und Organisationen sowie ausführliche Hinweise zum Entwickeln einer eigenen Organisation. Kleiner Bonus ist ein Artikel über Katzen im Finsterland (inkl. Charaktererschaffung), so dass man hier ganz im Stile von Kathulhu loslegen kann … Plus 6 Plothooks anbei.

Der Spielleiterteil, den ich allein schon immer für seine Eingangsillustration einer Spielrunde liebe (diesmal liegen Bananen auf dem Tisch und die Battlemap wird mit Mensch-ärgere-DichFiguren benutzt) erklärt die typischen Spielleitertypen ganz ähnlich dem Modell von Robin D. Laws. Genau wie er,versucht man jeden Spielertyp positiv zu besetzen, was imho nur zu 90% gelingt, klappt hier zu nahezu 100%. Der Power-Gamer wird hier zum Experten / Technikerin – jede der 7 Typen bekommt zwei Begriffe, wovon der zweite immer weiblich ist. In einer kurzen Mag / mag nicht-Liste werden die Vorlieben deutlich, hier z.B.:
Mag: viele Charakteroptionen / harte Herausforderungen / außergewöhnliche Extras
Mag nicht: Problemlösungen, ohne auf das System zurückzugreifen / Langweilige Situationen unter seinem Können / Unfaire Herausforderungen, die daraus ausgelegt sind, dass sie scheitern.
Neben einer allgemeinen Beschreibungen, den Vorlieben via Liste werden noch die besonderen Stärken des Typs beschrieben und auf mögliche Probleme und wie man ihnen begegnet hingewiesen. Das alles einerseits sehr locker, auf einer Ebene mit dem Leser, nie von oben herab, nie besserwisserisch und immer positiv. Fand ich sehr gelungen, bisher das beste, was ich in der Richtung gelesen habe – und das ist nicht wenig.

Dann wird ein Punkteverteilsystem zur Charaktererschaffung als Alternative zum Auswürfeln vorgestellt, eine Regelvariante für Bessere Charaktere (also kompetentere Startcharaktere), und zwei Subsysteme für Krankhe.iten und Wahnsinn. Den Abschluß hier bilden sechs Ereignisse, quasi ausgearbeitete Plothooks.

Der Teil Neue Gegner beschäftigt sich erstmal mit Gegnervarianten und Regeloptionen, so z.B. mehrstufige Gegner (im Sinne von Multi-Stage-Gegnern, also z.B. der Werwolf, der erst als normaler Mensch, dann in Wolfs- und dann in Werwolfsform kämpft) mit einigen Vorschlägen, alternative Ideen, die Bonusschaden bei Krits ersetzen. Ein Abriss über Nekromantie, die außerirdischen bzw. außerfinsterländischen Athananer sowie den Bahöstren, Dämonen, die sich vom Schall nähern – vorzugsweise Angstschreie oder Hiferufe. Allein die Athaner, deren Kultur kurz angerissen werden, bieten wieder Potential, aber auch die unterschiedlichen Ausprägungen der Bahöstren, grammophonartigen Wesen, haben einiges für sich.

Mit Monstrositäten des Krieges gibt es noch ein Arsenal des Schreckens, welches in den Wirren der nachkriegsjahre für Unheil sorgt, so aus Massengräbern entwachsende Totenhunde oder Beckmänner, die wie verarmte, heruntergekommende Soldaten aussehen und sich an der Zuneigung des Gegenüber laben. Einen eigenen Abschnitt bekommen die Totmacher, die an Oger erinnern, aber noch menschlich genug sind, um in der Gesellschaft leben zu können und häufig in Schlachthöfen, Lazaretten oder Bestattungsinstituten zu finden sind.

Dann folgt das Kapitel Abenteuer. Und das meint: Abenteuer! 31 Abenteuer im Ca.-Umfang eines OnePages, ein normales Abenteuer, eine Minikampagne und zwei Kampagnen werden präsentiert. Das Format der Onepages, quasi Abenteuerskizzen, stellt das Abenteuer kurz vor (Kurzinhalt), präsentiert den Ablauf in 5 Szenen, von denen ausschließlich nur die Namen genannt werden, die wichtigsten, beteiligten Charaktere in je ein, zwei Sätzen und eine Beschreibung des Handlungsschauplatz (Die Ortschaft). Gefällt mir sehr gut. Ohne Frage muss man noch Arbeit reinstecken, aber dafür hat man ergebnisoffene Szenarioskizzen, die durch SL, Spieler und die Entscheidung ihrer SC zu Leben erweckt werden, ohne auf etwas festgelegt zu sein. Das Abenteuer Die Rettung ist dann wieder wie ein klassisches Abenteuer aufgebaut, die Kampagnen wiederum wie mehrere OnePages hintereinander. Kurzum, wer hier vorgekaute Abenteuer erwartet wird (fast) enttäuscht, wer Ideen, Plothooks und einen Abenteuerrahmen zum Selbstauffüllen sucht, bekommt hier eine echte Schatzkiste.

Das Layout ist übersichtlich, der einheitliche Rahmen wertet das Werk durchaus auf und die Illustrationen reichen von gutem, aber symphatischen Fanniveau bis hin zu sehr guten sw-Illus.

Mein Fazit:
Nach meinem Geschmack ist dieser Quellenband noch stärker als die beiden bisherigen. Die große Stärke der vielen Plothooks wurde weiter ausgebaut und um etwas ausführlichere Formate ergänzt. Die Hauptstadt wird detailliert beschrieben, aber alles mit Orten, von denen man sich vorstellen kann, dass sie auch innerhalb eines Abenteuers vorkommen – und kann man sich dies nicht, hilft oft einer der Plothooks auf die Sprünge. Wer Finsterland schon hat, wird von dem Band unter Garantie nicht getäuscht. Theoretisch lohnt der Kauf auch allein aufgrund der vielen Plothooks und Abenteuer, die sich nicht nur innerhalb des Genres transponieren lassen, ¾ oder mehr funktionieren auch locker in Fantasy-Kulissen. Kurzum, empfehlenswert!

Meine Bewertung:
5 von 5 Curiositäten