
Als das deutschsprachige Abenteuer „Der Heilige von Bruckstadt“ Anfang vergangenen Jahres zum nach wie vor nur in Englisch erhältlichen OSR-Rollenspiel Lamentations oft he Flame Princess im Wiener Verlag GAZER PRESS erschien, erntete Autor und Verlagsinhaber Markus Schauta viel Lob aus der Szene für die gelungene Verquickung von klassischem Dungeon Crawl mit ordentlich recherchiertem historischem Background, ist das Szenario doch in einem verheerten Deutschland während des Dreißigjährigen Krieges angesiedelt. Ingo „Greifenklaue“ Schulze (†44) war sogar so angetan von dem Abenteuer, dass er über verschiedenste Kanäle eine deutschlandweite Sammelbestellung der gebundenen Ausgabe organisierte, da diese zu dem Zeitpunkt ausschließlich über den österreichischen Verlag zu erwerben war.
2022 ist „Der Heilige von Bruckstadt“ nicht nur offiziell auch in Deutschland erhältlich, sondern es folgt mit „Baphomets Sohn“ auch ein weiterer Dungeon Crawler inmitten der Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Diesmal allerdings auf Basis eines anderen OSR-Titels, nämlich Swords & Wizardry (welches demnächst übrigens in deutscher Sprache bei SYSTEM MATTERS erscheinen wird). Markus Schauta verspricht dabei nicht nur erneut viel Action vor geschichtlicher Kulisse, sondern vor allem deutlich vielschichtigere NSC und einen wendungsreichen Plot. Gelingt dem Autor also ein zweiter Coup?
INHALT
Deutschland am 2. November des Jahres 1620. In den frühen Morgenstunden ist aus dem Gasthaus ‚Niederegg‘ in der thüringischen Stadt Nordhausen ein Schuss zu hören. Einer der dort nächtigenden Gäste liegt tot in seinem Zimmer, dem Anschein nach mit der eigenen Pistole selbst gerichtet. Aber wer war diese Person und weshalb hat sie sich vermeintlich das Leben genommen? Die Charaktere, die sich zu diesem Zeitpunkt entweder selbst in dem Gasthaus aufhalten oder auf anderen Wegen auf die Tragödie aufmerksam gemacht werden, gehen der Sache nach – und finden sich alsbald im Auftrag einer von insgesamt fünf Fraktionen in den fauligen Tunneln einer großen, aber verfallenen Templeranlage wieder, auf der Jagd nach einer alten, mystischen Reliquie. Dabei kommen sie auch Dingen auf die Spur, die besser begraben geblieben wären. Denn nach Jahrhunderten des Schlummers streckt ein vergessen geglaubtes Grauen seine Finger nicht nur nach den Menschen in Nordhausen aus, sondern auch nach den neugierig herumschnüffelnden Charakteren…
Hauptdarstellerin des über 100-seitigen Abenteuerbandes ist die sich auf vier Ebenen erstreckende Anlage der alten Tempelritter, die schon allein rund die Hälfte einnimmt. Da es sich um ein Abenteuer für ein OSR-System handelt – welches im Übrigen auch mit jedem anderen OSR-System gespielt werden kann – warten auf diesen vier Ebenen nicht nur Gold und Gegenstände auf die Charaktere, sondern vor allem Schmerzen und Pein in Form von Fallen, brüchiger Statik, verfluchten Artefakten und natürlich Auseinandersetzungen. Markus Schauta fährt in den zig Zufallstabellen, die die meisten Seiten zieren, so ziemlich alles auf, was den Spielenden sowohl den Schweiß auf die Stirn, als auch ein Schmunzeln entlocken dürfte: Ob ein die SC übernehmender Geist, der sie dazu bringt sich selbst zu verstümmeln, ein defektes Teleportationsfeld, das den unglückseligen SC für eine zu erwürfelnde Anzahl an Runden immer wieder wie einen Ping-Pong-Ball gegen die Decke schleudert, oder das in mundgerechte Stücke zerkleinerte Gehirn eines alten Medicus, das nach Verzehr wahre Wunder für Körper und Geist verspricht – Liebhaber skurriler Momente dürften bei „Baphomets Sohn“ auf ihre Kosten kommen. Kämpfe stehen zwar auch auf dem Programm, treten aber verhältnismäßig selten auf. Der Fokus liegt klar auf der Erkundung des Dungeons und der Entdeckung seiner ausgefallenen Inhalte.
Über allem schwebt aber eine nicht greifbare Gefahr, derer die Charaktere an vielen Orten ausgesetzt sind und die durch immer wieder eingestreute Rettungswürfe symbolisiert wird. Misslingen diese mehrfach, kommt es mit der Zeit zu spürbaren Auswirkungen. Spezielle Zustandskarten, die auf der Homepage von GAZER PRESS heruntergeladen und den betroffenen Spielenden je nach Größe der Auswirkung ausgehändigt werden können, beschreiben diese.
Neben der Templeranlage werden auch die Stadt Nordhausen und ihre wichtigsten Gebäude beschrieben, wenn auch auf deutlich weniger Seiten. Abseits des Hauptweges können die Charaktere hier einen weiteren, aber deutlich kleineren Dungeon erkunden, der sogar eine winzige Brücke zum Abenteuer „Der Heilige von Bruckstadt“ schlägt. In den Gassen und Wirtshäusern der Stadt können die Charaktere zudem zahlreiche Gerüchte aufschnappen, die entweder eine heiße Spur darstellen, oder sich als reine Nebelkerzen entpuppen.
Die Haupt-NSC, die schon früh im Abenteuer um die Gunst der Charaktere als Reliquienjäger buhlen, gestalten sich tatsächlich sehr facettenreich. Kein NSC ist schlicht schwarz oder weiß, sie alle hüten ihre (mitunter schmutzigen) Geheimnisse und besitzen ihre ganz individuelle Motivation, mit den Charakteren zusammenzuarbeiten oder gegen sie zu agieren. Das bedeutet für die Spielleitung aber auch eine gewisse Einarbeitungszeit, um die NSC und ihre jeweiligen Beweggründe entsprechend in Szene setzen und auf mögliche Reaktionen der Charaktere reagieren zu können.
MEDIADATEN
…Autor: Markus Schauta
…Verlag: GAZER PRESS
… Format: Gebunden, Hardcover, DIN A5
…Seiten: 103
…Erschienen: 2022
…ISBN: 978-3-9505014-2-1
…Preis: 25,00 EUR (PDF: 12,00 EUR)
MEINE MEINUNG
Im Grunde bietet „Baphomets Sohn“ zwei wunderbar abwechslungs- und ideenreiche, aber auch potenziell sehr tödliche Dungeon, die durchaus auch mehrere Spielabende unterhalten können. Wer „Der Heilige von Bruckstadt“ bereits kennt, wird hier auch von der Struktur des Aufbaus her einige Parallelen ausmachen können. Insbesondere das zweite Gewölbe wird für Gesprächsstoff sorgen, denn es kann ohne ernsthafte und unabwendbare Konsequenzen für die Charaktere nicht wieder verlassen werden. Das wird nicht jeder spielenden Person schmecken. Aber was ein echtes OSR-Abenteuer sein will, muss sich daran ja auch irgendwie messen lassen. Das schließt die Verwebung klassischer Fantasy-Elemente wie Magie oder Fabelwesen vor dem Hintergrund realer Geschichte mit ein. Wer sich daran stört, sollte lieber einen Bogen darum machen.
Ein wenig ärgerlich ist zudem, dass der Titel des vorliegenden Werkes – „Baphomets Fluch“ – sich als roter Hering entpuppt. Denn:
*SPOILER*
Der vermeintliche Sohn des Baphomet ist überhaupt nicht in die Hauptstory eingebunden und lediglich schmückendes Beiwerk. Ob man ihm begegnet oder nicht, besitzt keinerlei Relevanz für den Abschluss des Abenteuers. Da gaukelt die Betitelung eine Wichtigkeit vor, die eigentlich gar keine ist.
*SPOILER*
Daher gibt es leichte Punktabzüge in der B-Note.
Gelungener sind da schon die schön ausgearbeiteten Nichtspielercharaktere, die, je nachdem, mit welchem man sich verbündet, leicht variierende Ausgangs- und Konfliktsituationen schaffen. Das bringt zusätzliche Würze ins Spiel, erfordert aber von der SL auch eine intensivere Vorbereitungszeit.
Die Idee der „allgegenwärtigen Bedrohung“ ist wirklich nett und dürfte, wenn sie sich richtig ausgebreitet hat, für Chaos am Spieltisch und erinnerungswürdige Momente sorgen. Es kann ja nicht immer ein Happy End geben…
Das Layout orientiert sich am Erstlingswerk: Die Farben pink, grau, schwarz und weiß dominieren, was auf der einen Seite sehr stylisch und modern aussieht, auf der anderen Seite sehr mit dem historischen Hintergrund kontrastiert. Ganz klar Geschmackssache. Die Illustrationen der jungen österreichischen Künstlerin Marianne Musek, die allesamt mit dunkler Tusche gemalt wurden, fügen sich geschmeidig in das Gesamtbild ein.
MEINE WERTUNG
3,75 von 5 Kronen des Salomon
von: Christophorus
L I N K S
So lob ich mir meinen Würfelheld, immer 10 % kritischer als die Konkurrenz!
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Das Lob gehört in diesem Fall Christophorus, welcher die Rezension getippert hat…
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