
Wer von uns hatte als Kind nicht Angst vor der Dunkelheit und vor den Kreaturen, die sie ausspucken könnte? Vor der Gestalt unter dem Bett oder dem Monster im Schrank? Und wer von uns lag deswegen nicht oft stundenlang wach, die Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen, und erwartete einen hinterhältigen Angriff aus den Schatten? Mit Monsterjagd! kann der Spieß nun umgedreht werden. Das erfolgreiche spanische Rollenspiel, das 2021 beim UHRWERK VERLAG im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne auch in deutscher Sprache erschienen ist, richtet sich vorrangig an Vorschul- und jüngere Grundschulkinder und soll dabei helfen, Ängste zu überwinden und ein Gespür für gemeinschaftliches Handeln zu entwickeln.
INHALT
Die Spieler*innen schlüpfen dabei in die Rollen von kleinen Nachwuchsjäger*innen der Behörde für Monsterjagd, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eben jene Monster zu neutralisieren, die mit ihren Streichen arglose Leute in den Wahnsinn treiben. Dazu gehören beispielsweise der uhrenverstellende Weckerwicht, der Zähneputzen-hassende Faulzahn oder das Klingelstreich-liebende Gruseltonmonster. Begleitet werden die Jäger*innen stets vom/von der Meisterjäger*in. Dabei handelt es sich um die Spielleitung, die die junge Truppe als Anführer*in begleitet und, wenn nötig, mit Tipps und Ratschlägen durch das Abenteuer lotst. Kernaufgabe ist dabei immer, anhand verstreuter Hinweise herauszufinden, um was für ein Monster, auf das man gerade Jagd macht, es sich handelt, wo es sich versteckt hält und wie man es neutralisieren kann. Wobei „neutralisieren“ natürlich nicht „töten“ bedeutet. Kindgerecht werden die Monster gefangen und in Gefäße eingesperrt, in denen sie dann in einen langen Schlaf fallen. Es ist aber auch möglich, die Monster kampflos zu neutralisieren, in dem man sie zufriedenstellt und ihnen das gibt, was sie gern mögen. Ein Faulzahn beispielsweise liebt alle Arten von strengen Gerüchen wie beispielsweise von Käse, Blumenkohl oder dreckigen Socken – weswegen er ja überhaupt erst der ungebetene Gast im Haus ist, da er von irgendeinem dieser Dinge angelockt wurde. Überlässt man dem Faulzahn das Corpus Delicti, stapft er zufrieden von dannen. Anders herum haben alle Monster auch bestimmte Abneigungen gegen etwas, was ebenfalls als taktischer Winkelzug genutzt werden kann, um sie wütend zu machen und aus ihrem Versteck herauszulocken.
Monster können anhand eines kleinen „Generators“ entweder selbst erstellt oder aus einer Vielzahl liebevoll vorgefertigter Beispiele ausgewählt werden. Zudem stellt das Regelbuch es frei, ob die Monsterjagd als Rollenspiel am Tisch oder als „LARP“ im Haus oder in der freien Natur stattfinden soll. Die Grenze bildet hier einzig die Kreativität der Spielleitung und die natürlich die der Kinder.
Wie bei Kinderrollenspielen üblich, gibt es auch bei Monsterjagd! nur eine Handvoll Regeln, die gut nachvollziehbar und leicht zu merken sind. Das fängt schon bei der Charaktererschaffung an: Werte gibt es nämlich keine. Was die Spielfigur kann und wie sie aussieht, bleibt allein der Fantasie des Kindes überlassen. Auf dem wirklich hübsch gestalteten Charakterbogen werden lediglich gefundene Hinweise auf das Monster und Gimmicks notiert, die dem/der Jäger*in bei der Jagd unterstützen. Dennoch werden ab und an Probenwürfe notwendig, zum Beispiel wenn es auf die Suche nach Hinweisen geht. Dabei werden mit drei W6 gegen eine von der Spielleitung (Meisterjäger*in) festgelegte Schwierigkeit zwischen 2 und 6 gewürfelt, wobei von den drei W6 entweder die höchste, die mittlere oder die niedrigste Augenzahl zählt. Stehen den Charakteren besondere Gimmicks zur Verfügung, die die jeweilige Aktion unterstützen, gilt die höchste Augenzahl. Sind Umstände eingetreten, die sie in ihren Ermittlungen behindern, wird die kleinste Augenzahl herangezogen. Der mittlere Augenwert zählt indes bei normalen Proben.
Konnte das Monster identifiziert und gestellt werden, wird ebenfalls ein Probenwurf notwendig, um es einzufangen. Hierzu muss die sogenannte Furchtstufe überwürfelt werden, über die ein jedes Monster verfügt. Diese variiert jedoch, wenn die Jäger*innen vorhandene Hinweise entdecken (Furchtstufe sinkt) oder missachten (Furchtstufe steigt). Dabei würfeln alle Jäger*innen ihre drei W6 und nehmen die mittlere Augenzahl – es sei denn, ein*e Jäger*in wurde durch vorangegangene Ereignisse negativ beeinflusst, dann zählt die niedrigste Augenzahl. Umgekehrt, wenn Gimmicks zur Verfügung stehen, die beim Fangen des Monsters helfen. Dann zählt wieder die höchste Augenzahl. Ist das Monster gefangen, muss nur noch die magische Formel „Kleines Monster, kleines Monster, du machst keinem Angst mehr“ gesprochen werden, um es in das Gefäß zu binden.
Ist das Monster besiegt bzw. gefangen, erhalten die jungen Monsterjäger eine frei definierbare Zahl an Sternchen, die für weitere Abenteuer in nützliche Ausrüstungsgegenstände investiert werden können.
Die vorliegende Crowdfunding-Version, die ihrerzeit über die Plattform Game on Tabletop finanziert wurde, enthält neben einer Vielzahl „Agenturverträge“ (sprich: Charakterbögen) für jüngere und ältere Spieler*innen auch ein Heft mit weiteren Monstern, einen liebevoll gestalteten, stabilen Spielleiterschirm sowie zahlreiche Pappmarker, Aufkleber und Einsatzberichtshefte. In letztere können die kleinen Jäger ihre Erfolge und Abzeichen sowie Notizen zu den Monstern verzeichnen, wenn mit mehreren Spielrunden gerechnet wird.
MEDIADATEN
…Autor: Patricia de Blas & Álvaro Corcín
…Verlag: Nosolorol Ediciones / Uhrwerk Verlag
… Format: Gebunden, Hardcover
…Seiten: 100
…Erschienen: 2021 (deutsche Ausgabe)
…ISBN: 978-3-95867-235-2
…Preis: 29,95 EUR
MEINE MEINUNG
Dieses Spiel aus der Sicht eines Erwachsenen zu beurteilen, ist nicht ganz einfach. Es lebt insbesondere vom Ideenreichtum der teilnehmenden Kinder und der Kreativität des/der Monsterjägers/Monsterjägerin. Wer einem Kind schon einmal spontan aus dem Stehgreif eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen musste, kann sich in etwa vorstellen, was einen hier erwartet. Als reines Erzählspiel kommt es ausschließlich auf die Kraft der Fantasie und auf das Einfühlungsvermögen in die kindliche Vorstellungskraft an, zumal mehr oder weniger vorausgesetzt wird, dass der/die Meisterjäger*in von jemandem verkörpert wird, der die ganzen Zusammenhänge thematisch begreift und auch entsprechend wiedergeben kann.
Die Aufmachung des Spiels ist dabei aber über jeden Zweifel erhaben: Tolle, kindgerechte Zeichnungen und ein abwechslungsreiches Layout laden geradezu zum Schmökern ein. Wobei das „abwechslungsreiche Layout“ sich natürlich auf die Wahrnehmung eines Kindes bezieht: Nahezu jede Seite ist individuell gestaltet, um die Aufmerksamkeit einzufangen und keine Gleichförmigkeit (sprich: Langeweile) aufkommen zu lassen.
Ob den Kids damit die Angst vor der Dunkelheit oder gruseligen Momenten genommen werden kann, steht auf einem anderen Blatt. In einer insgesamt zweistündigen Spielrunde mit zwei 7-jährigen Kindern, die auf 2 x 1 Stunde aufgeteilt wurde – die Aufmerksamkeit ließ nach einer guten Stunde bereits nach – kann ich das Fazit ziehen, dass der Spaß an der Sache durchaus da war, ein gewisses Konkurrenzdenken aber auch nicht von der Hand zu weisen ist. In manchen Situationen hatten die Kids eher eine Art Wettbewerb denn ein Teamspiel daraus gemacht („Ich verwandle mich in einen Hund und schnuppere nach dem Monster!“ – „Dann verwandle ich mich in einen T-Rex und fresse es einfach auf, wenn du es gefunden hast“), aber gefürchtet hatte sich keines wirklich. Eher im Gegenteil, aber das ist ja per se kein schlechtes Zeichen. Nach einer erneuten Runde wurde zwar nicht gefragt, aber sicherlich kann man immer mal wieder eine solche einstreuen. Kurzweiligen Spaß bietet es auf jeden Fall.
MEINE WERTUNG
4 von 5 Schrankschrecken
von: Chrstophorus
L I N K S