[Rezension] Queer*Welten 01-2020

© Ach je Verlag

Queer*Welten 01-2020 ist die Erstausgabe eines queer-feministischen Kurzgeschichtenfanzines aus den Genres Fantasy und Science Fiction. Geschichten um queere Menschen, Marginalisierung oder Menschen mit Behinderung sollen im Rampenlicht stehen, bevorzugt von Own Voices Autoren. Das ganze wird von Judith Vogt, Lena Richter (beide: Genderswapped Podcast) und Kathrin Dodenhoeft (zuletzt Feder & Schwert Verlagsleiterin). Die erste Ausgabe bringt es auf 3 Kurzgeschichten, eine Ballade, ein Essay und eine kurze Rezisektion (ein Queertalsbericht).

Den Auftakt macht Nebelflor von Annette Juretzki, bei der vor Tod, Blut und Verletzungen, bewaffnete Auseinandersetzung, Leichen sowie Frauenfeindlichkeit gewarnt wird. In einem Dorf gab es Tote, angeblich umgebracht von einem Geist. Um Licht ins Dunkel zu bringen kommt Korja in das Dorf, der zwar Fragen beantwortet werden, aber die selbst für eine Hexe gehalten wird. Schließlich versuchen die Dörfler gar, die mit Knüppeln und Klingen zu vertreiben, aber auch Korja ist den Umgang mit der Waffe gewohnt. Recht gelungene Geschichte, dessen mystischer Beginn sich langsam in einen logischen Kriminalfall wandelt, etwa wie bei Im Namen der Rose oder auch The Witcher. Eine besondere Queerness konnte ich der Story allerdings auch nicht anmerken, sogar die dahinterstehende Liebesgeschichte ist traditionell, ja gar konservativ zu nennen.

Feuer von Lena Richter ist in meinen Augen die stärkste Geschichte im Band, beschreibt sie doch ein Setting, wo man gerne mehr erfahren würde und so jedes Puzzlestück aufsaugt. Im Kern geht es um ein weggelaufenes Kind, welches einer verletzten Amazone beisteht, über die viele Heldentaten im letzten Krieg erzählt werden. Entgegen dem positiven Bild gibt es aber auch Jäger und eben einer dieser hat sich auf die Fährte der Amazone gesetzt. In diese Situation wird der Leser hineingeworfen und bekommt mehr von einer einstigen Technikwelt (Öltürme, Orbitalstationen) erzählt, die nun zurückgeworfen scheint in einen postapokalyptischen Zustand.

Die dritte Kurzgeschichte erreicht mich nicht, ist mir zu verkopft. In Die Heldenfresserin oder Mythos, destruiert versucht Anna Zabini den Leser mitzunehmen in eine sprachliche Reise: Ausgangspunkt: „Ein Mann liebte eine Frau. – Sie ist tot.“ Ist er nekrophil, tötete er sie aus Liebe oder war es eine Tragödie? Viele literarische Anspielungen, viel Verkopftheit, ich kann leider nix für mich rausziehen.

Als Auflockerung für Zwischendurch gibt es eine Ballade, Die fortgesetzten Abenteuer des Spaceschiffs Plastilon, die als Zwei-, Drei- und Vierzeiler daherkommen und von den diversen, gendergerechten Abenteuern des Raumschiffs berichten. Musikalisch vorgetragen bestimmt nett, als reiner Text doch etwas trocken. Manche Strophen sind originell, andere weniger – als Auflockerer für Zwischendurch OKay.

Spannend ist dann das Essay von James Mendez Hodes, der im ersten Teil Von Orks, Briten und dem Mythos der „Kriegerrassen“ über Eine Spezies, erschaffen als rassistisches Schreckgespenst berichtet. Dort leitet er her, dass Orks aus diversen Vorurteilen gegenüber asiatischen Menschen entstanden sind und will dann im zweiten Teil die verherrande Wirkung in Fantasy-RPGs wie D&D aufweisen. Ich muss zugeben, der zweite Teil ist der deutlich spannendere. Ohne in diese Diskussion einsteigen zu wollen, fand ich die auf Orkenspalter.tv geführte Diskussion ganz erhellend, wo es viel Kritik für die damalige, sehr einseitige Darstellung von Moha und Novadi gab, zugleich beide davon Betroffene auch den positiven Aspekt betonten, diese wählen zu können und nach ihrer Phantasie zu gestalten. Auf der anderen Seite die Trennung in cD&D in Rasse und Klasse, wobei ich den Gedanken des Zock Bock Radios (Folge 3) interessant fand, dass die Begriffe tatsächlich aus dem bürgerlichen Klassen entstanden sein könnten, Elfen als Adelige, Halblinge als gehobene Bürger, Gnome als Künstler, Zwerge als harte Arbeiter und die spielbaren Halborks als „Pöbel“. Schwierig finde ich immer – und das tut der Essay definitiv, etwas durch die heutige Sichtweise zu betrachten, statt durch die damalige. In jedem Fall ist es aber ein interessanter Beitrag zur aktuellen Rassismusdebatte, die auch im Rollenspiel-Fandom stattfindet.

MEDIADATEN

…Herausgeberinnen:  Judith Vogt, Lena Richter, Kathrin Dodenhoeft
…Autor*innen: Annette Juretzki, Anna Zabini, James Mendez Hodes, u.a.
…Verlag: Ach je Verlag
…Format: A5 Rückenstichheftung
…Seiten: 58
…Erschienen: 2020
…ISBN: 978-3947720514
…Preis: 7,99 EUR (oder 5,99 EUR als ePrint)

MEINE MEINUNG
Kurz zur Produktverarbeitung: ich hab das Zine durchaus oft mit rumgeschleppt, aber nie schlecht behandelt. Trotzdem löste sich die innerste Seite des per Rückenstichheftung geklammerten Werks. Ich dachte erst, die Klammern hätten sich aufgebogen, aber nein, die sind so dünn, dass sie sich durchs Umweltpapier geschnitten haben. Das ginge zu dem Preis etwa hochwertiger.

Zum geschriebenen Wort. Für mich zwei gute Kurzgeschichten, ein interessantes Essay und zwei Ausfälle – für mich. Ist mir aber lieber, als viermal Durchschnitt. Wer ein streitbares Zine sucht, wer gemischte Kurzgeschichten gern mag, wen queere Themen interessieren oder wichtig sind, findet hier ein Zine zu fairen Preis.

MEINE WERTUNG
4 von 5 Gendersternchen

von: Greifenklaue

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