Autor: Chris Pramas
Verlag: Truant Spiele
Format: Hardcover A4
Seitenzahl: 157
Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-934282-72-8
Preis: 29,95 Euro
von: Greifenklaue
Mit Dragon AGE ist Green Ronin ein Überraschungserfolg gelungen und spätestens nachdem es Wil Wheaton in seiner Sendung vorgestellt hat. Fantasy AGE ist nun eine Vereinheitlichung des Dragon AGE-System und bildet das Basisbuch für die AGE-Engine, welches ein Kürzel für Adventure Game Engine ist. Das Werk ist zur RPC bei Mario Truant auf Deutsch erschienen, übersetzt vom Chef persönlich.
Klappentext:
Das Fantasy AGE-Grundregelwerk ist dein Einstieg in das Rollenspiel. Jetzt kannst du der Held in deinem eigenen Schwert & Zauberei-Abenteuer sein! Dieses Spiel wurde in Wil Wheatons Rollenspielshow gespielt, Titansgrave: Die Asche von Valkana. Das Spielsystem bildet auch die Grundlage für das Dragon Age-Rollenspiel und andere Spiele. Die Regeln sind einfach zu erlernen und bieten ein innovatives Stuntsystem, um die Handlung spannend und aufregend zu gestalten. Das Grundregelwerk beinhaltet folgendes:
• Drei Charakterklassen: Krieger, Magier und Schurke mit jeweils 20 Stufen.
• Spezialisierungen wie Berserker, Elementarmagier, Hexenjäger und Wunderwirker, mit denen du deinen Charakter nach deinen Wünschen anpassen kannst.
• Ein Spielsystem, das um Kampf-, Erkundungs- und Rollenspielstunts herum aufgebaut ist. Würfle einen Pasch mit drei sechsseitigen Würfeln und etwas Außergewöhnliches passiert!
• Ein Magiesystem, das dir ermöglicht, deine Kräfte mittels themenorientierter arkaner Talente wie Feuer, Heilen oder Schicksal aufzubauen.
• Hinweise für Spielleiter zum Aufbau von Abenteuern und Kampagnen.
• Monster und magische Gegenstände!
• Ein Beispielsetting und ein Einführungsabenteuer für den schnellen Einstieg.
Du kannst Fantasy AGE verwenden, um Abenteuer in einer Fantasywelt deiner Wahl oder deiner eigenen Schöpfung zu spielen. Nimm dir einfach drei sechsseitige Würfel und du bist für das Spiel bereit.
Inhalt:
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Das System
Mechanisch basiert das System auf einer 3W6-Probe, die aufsummiert wird, ggf. noch Boni oder Mali dazurechnet gegen einen variablen Zielwert. Würfelt man bei einer gelungenen Probe ein Pasch, stehen einem zusätzlich die Punkte vom Stuntwürfel zur Verfügung – dies ist einer der drei Würfel, der sich von den anderen beiden unterscheidet (z.B. ein schwarzer, zwei weiße W6) – um z.B. mehr Schaden zu machen, weniger Zeit zu brauchen oder einen markigen Spruch nachhallen zu lassen, je nach Situation und Wahl. Fantasy AGE unterscheidet den feinkörnigen Aktionsmodus (mit typischerweise Kampf- und Magiestunts), der genau regelt, wer wann was machen darf, und den zeitlich gesehen gröberen Erzählmodus, indem es Erkundungs- und Rollenspielstunts gibt. Zusätzlich zeigt der Stuntwürfel auch immer die Qualität der Probe an, was zugleich auch eine Kritik einfängt, da damit die Qualität fast unabhängig von den eigentlichen Werten ist – Ausnahme: ab Stufe 6 dürfen passende Foki noch aufaddiert werden. Trotzdem ist der Stuntwürfel das Glanzstück der Mechanik und gerade Runden, die Spieler haben, die vorab länger überlegen müssen, werden es dankbar annehmen – erst Würfeln und dann bei Pasch überlegen … Die Wahrscheinlichkeit ist übrigens recht hoch auf ein Pasch mit drei Würfeln, nämlich bei 4/9tel aka 44,4%, zusätzlich muss die Probe noch gelingen.
Eigenschaften kennt Fantasy AGE neun, da es allerdings nicht direkt Fertigkeiten gibt, ist die relativ hohe Zahl durchaus Okay. Wahrnehmung ist eine eigene Eigenschaft, Kämpfen ebenso, welches den Kampf mit schweren Waffen umfasst. Präzision ist dagegen die physische Genauigkeit inkl. aller Fecht- und Fernkampfwaffen. Dazu kommen die klassischen Eigenschaften wie Geschicklichkeit, Intelligenz, Konstitution, Stärke, Willenskraft sowie Kommunikation. Die Eigenschaften werden standardmäßig mit 3W6 ermittelt, dann in eine Bonus umgerechnet (welcher von -2 bis +4 reicht, z.B. „10“=+1 oder „13“=+2), welcher dann nur noch verwendet wird. Wer sich fragt, warum man hier nicht gleich die Boni direkt ermittelt (z.B.W6-2), der sei auf die unterschiedliche Gewichtung der Tabelle hingewiesen: +1 ist etwas wahrscheinlicher als +2, dies wiederum als +0 und +3 usw. – eine +4 ergibt sich nur mit der Chance von 1/216 pro Wurf. Die Werte werden in Reihenfolge erwürfelt, zwei dürfen miteinander getauscht werden. Als Option gibt es noch die Variante der freieren Zuordnung und des Point Buy. Statt eines Ferigkeitensystems gibt es Eigenschaftsfoki, z.B. bei Geschicklichkeit Fallen, Heimlichkeit oder Fingerfertigkeit oder bei Kommunikation Anführen, Täuschen oder Verhandeln. Diese bieten zusätzliche +2 auf die Probe.
An Völkern gibt es Elfen, Gnome, Halblinge, Menschen, Zwerge und Orks als mögliche Charaktere, bis auf letztere also gewöhnliche EDO-Kost, was aber beim Grundregelwerk eine gute Basis ist. Man bekommt einige feste Vorteile und dazu zwei Würfe auf einer Tabelle, so dass alle Anhänger eines Volkes leicht variieren. Über den Hintergrund, welcher je nach Schichtzugehörigkeit ausgewürfelt wird, kann man sich einen von zwei Eigenschaftfoki aussuchen (immerhin 4 Schichten a 6 Hintergründe). Klassen gibt es nur drei: Krieger, Magier und Schurken, wobei diese recht umfassend sind. Auch Kleriker oder Psioniker würden unter Magier fallen, dass ist dann eher eine Frage des Settings. Jede der 20 Stufen bietet dann einige Verbesserungen, mal neue Eigenschaftsfoki, Talente, Waffen, Stuntboni, konkrete Extras oder Magiepunkte, so dass sich ein Charakter kontinuierlich entwickeln kann. Talente entwickeln sich in drei Stufen nach und nach (Novize, Adept, Meister) und geben unterschiedlichste Boni, etwas mehr als 25 stellt das Grundregelwerk zur Verfügung. Zusätzlich gibt es noch Spezialisierungen, welche ähnlich Talenten in drei Stufen funktionieren und eine erste ab Stufe 6 (8/10) und eine zweite ab Stufe 12, hier hat jede Klasse eigene Spezialisierungen: Schurken z.B. können Assassinen oder Duellanten werden, Krieger Ritter oder Wächter und Magier z.B. Schwertmagier oder Elementaristen, hier stehen 12 verschiedene zur Verfügung.
Bei der Ausrüstung fällt noch auf, dass die Silbermünze die Hauptmünze ist, was ich recht gefällig finde, da es den Wert und die Seltenheit von Gold betont. Ansonsten gibt es hier alles, was das Abenteurerherz potenziell begehrt. Auch Magie funktioniert ähnlich den Talenten. Man sucht sich ein Arkana aus, bekommt als Novize Zugang zu zwei Zaubern (am Beispiel Blitzarkana: Schock und Blitze schleudern), als Adept einen (Blitzschlag) und als Meister den vierten (Kettenblitz). Das ganze wird mit Magiepunkte ähnlich den Lebenspunkten bezahlt – und wie bei Savage Worlds ist die Ausprägung nicht konkretisiert, die konkrete Umsetzung z.B. über eine technoarkanen Blitzewerfer ist settingabhängig.
Das Spielleiterhandbuch
Ab Kapitel 8 beginnt das Spielleiterkapitel, welches einem erklärt, wie man so leitet, Abenteuer aufbaut und schreibt und das man Würfel dreht – dies wird hier als Spielleitergebot firmiert. Für mich eine üble Geschmacksverirrung, aber ich tue das mal als persönliche Vorliebe des Designers ab, vielleicht hat er auch kein Vertrauen in seine Regeln? Es gibt auch Tipps zur Auswahl des Spielortes, ein Kapitel, welches betont das Pausen wichtig sing und ein paar Helferlein wie die Schnellreferenz- und die Initativekarten, dem Nutzen von Whiteboards, Minis, dem Führen eines Kampagnenjournals und dem Umgang mit am Handy daddelnden Mitspielern, Fazit dort, Zitat: „Wenn sich jeder dabei gut unterhält, gibt es keinen Grund, Dinge zu ändern, selbst wenn es regelmäßige Unterbrechungen wegen Katzenvideos gibt.“
Dann folgen drei Spielleiterstile: Feindlich, wohlwollend und Regisseur. Positiv ist, dass der Autor hier mehrere Alternativen aufzeigt, dass hätte ich mir bei einigen Tipps vorher schon gewünscht. Aber zu meinen Erstaunen ist der Ton derart negativ, im Prinzip beschreibt er zu 50%, wie man es nicht macht und warum der jeweilige Stil nicht gut ankommt. Außerdem fehlt imho ein wichtiger Stil, nämlich der neutrale. Und der entsteht nicht daraus, wenn man mal feindlich und mal wohlwollend ist.
Negativ – für Anfänger jedenfalls – ist auch die Herangehensweise an die Spielertypen, den hier werden nur „Problematische Spielertypen“ gelistet. Unter dieser Überschrift finden sich 8 Typen, die z.T. denen von Robin D. Laws mit einem wichtigen Unterschied: sie werden nicht aus neutraler Sicht geschildert mit Hinweisen, wie man diese Typen bedient bzw. wo ihre Bedürfnisse liegen, sondern aus negativer Haltung, auch wenn ab und an potentielle Lösungen aufgezeigt werden. Trotzdem, gerade für Einsteiger, kommt das unnötig negativ und abschreckend daher.
Eine weitere Auffälligkeit gibt es noch, die meine Augenbraue hochzucken ließ. Man unterscheidet zwischen Basisproben, die gegen einen festen Zielwert sind (und nicht modifiziert werden, da man ja den Zielwert anpassen kann) und Vergleichsproben, also da wo einer am anderen Vorbeischleichen will und da beide Würfe verglichen werden, diee auch modifiziert werden können, je nchdem wie die Umstände sind. Nun wird aber als Beispiel für eine vergleichende Probe eine Springen-Probe gemacht (gegen niemanden, also eine Basisprobe) und dort der Wurf modifiziert. Das scheint mir ein Fall von „das eigene System nicht verstanden“ zu sein … Da es kein abgesetztes Beispiel ist, kann es auch nicht im Layout verrutscht sein, so dass es mich zumindest verwundert zurückließ.
An Gegnern wird eine kleine Auswahl an Standardgegner geboten: 14 typische Monster/NSC auf 13 Seiten. Keine große Auswahl, aber entgegen der Konkurrenz (D&D, Pathfinder), denen das fehlt, hat man schonmal einige Viecher, mit enen man direkt loslegen kann [Zum Zeitpunkt des Rezischreibens ist das englische Bestiary gerade erschienen. – Anmerkung des Autors]. Das Erfahrungspunktesystem ist auch etwas anders, erinnert eher an Star Wars. Statt einer Begegnung vorab EP aufgrund des Herausforderungsgrades, der Gefährlichkeit des Gegners in Relation zur eigenen Stärke zu vergeben, wird eine Begegnung erst hinterher bewertet. Konnten die Goblins weggeschnetzelt werden, war es Routine (0 EP), gab es einige Verletzungen, dann war es einfach (100 EP), hat man einife Ressourcen verbraucht und die Goblins waren hartnäckig, dann zählt es als Durchschnitt (250 EP) und killen die Goblins gar einen SC – oder bringen sie an den Rand einer Niederlage, dann war es schwer (400 EP), 2.000 EP braucht es für die 2. Stufe. So werden alle Arten von Begegnungen / Szenen beurteilt, also auch das Gespräch mit den Stadtherren, wo die Köpfung eines der SC drohen mag …
Auch Schätze und mag. Belohnungen werden angesprochen, wie man Kampagnenwelten ausgestaltet und mit einem Abenteuer samt Minisetting abgeschlossen.
Abenteuer und Minisetting
Das Minisetting Tiefental umfasst vier Seiten, in denen das Abenteuer Nacht der Auslese spielt. Das Setting, ein eingeschlossenes Tal, lässt sich wohl in die meisten Kampagnen einbetten und versprüht genug Flair und Sense of wonder, um gern erkundet zu werden. Die Nacht der Auslese ist ein solides Abenteuer für erfahrende Spielleiter, bei dem die SC sowie einige NSC ihren Übertritt ins Erwachsenensein durch den Aufenthalt auf einer einsamen Insel im Schatten von Dunmaras Ruine. Was fast wie ein Jugendlager beginnt xxx
Das Drumherum (Illustrationen, Layout, Übersetzung, Glossierung)
Die durchgehend gelungenen, vollfarbigen, recht typischen Illustrationen lockern das Buch audreichend auf, das Layout ist übersichtlich, Index und Glossar sind vorhanden. Allerdings gibt die interne Glossierung ein Minuspunkt: mal heißt es Holzarkana, mal Baumarkana, mal Nahkampf, mal Raufen. Das sollte gerade mit einem Übersetzer klappen, dass Regelbegriffe einheitlich übersetzt werden.
Vorab gab es wegen der Übersetzung ein viel kritisiertes Dokument in einem zwischenzeitlich offline gegangenen Blog, daher war schlimmes zu befürchten. Zwar gibt es in der Tat einige Stilblüten, die sich gerade am Anfang vermehrt finden, aber mit zunehmender Übersetzung wurde auch der Übersetzer (in dem Fall Mario Truant) zunehmend sicherer. Insgesamt ist es eine gut nutzbare Übersetzung, die nicht mehr (aber auch nicht weniger) Kritik verdient hat als z.B. Pathfinder.
Letzte Anmerkung: Auf einigen Seiten gibt es ein unscharfes Druckbild, was mitten über die Seite so aussieht als wäre einem Tintenstrahldrucker mittendrin die Tinte ausgegangen. Im Vergleich mit einem anderen Buch wies dieses dieselben Fehler auf. Vom Lesen absolut nicht problematisch, aber da es mit vermeintlich guter Qualität „Gedruckt in Deutschland“ wurde, ist es zumindest ein kleines Minus.
Mein Fazit:
Wie schon Dragon AGE zuvor macht auch Fantasy AGE einen soliden, sehr guten Eindruck. Ein paar Probleme des Ursprungssystems wurden behoben, einige scheinen verblieben – die Schwierigkeit zu treffen z.B. ist so niedrig, dass man gefühlt immer trifft. Das Stunt-System bringt gerade in Runden, die sonst viel überlegen und abwägen etwas mehr Schnelligkeit. Insgesamt ist es aber ein gut durchdachtes, schnelles, trotzdem facettenreiches System mit einigen Möglichkeiten, dem ich die vollen Punkte zugestehen würde – 5 von 5 Punkten.
Abzüge in der B-Note gibt es für den SL-Teil, so schlecht hb ich es noch nie gesehen, was die Wissensvermittlung und Motivation angeht. Den eingespielten SL wird das wohl weniger tangieren, aber für Neulinge gibt es hier massive Abwertungen.
Das Abenteuer ist Standardkost mit relativ vielen NSC gerade zu Beginn, welches es für Neulinge in ihrem ersten Spiel unnötig kompliziert und schwierig macht – hier wäre ein anderer Ansatz besser gewesen.
Meine Wertung:
So bekommt das Buch 4 von 5 Punkten, wenn es an Neulinge gehen soll leider nur 3 von 5.
2 Kommentare zu „[Rezension] Fantasy AGE Grundregelwerk“