Ich konnte Constantin Gillies, Autor der Extraleben-Romanreihe, für ein Interview gewinnen. Also fic ein paar Frage n gestellt, schließlich bedient Constantin mit seinen Werken die Gamer-Gemeinde und sorgt für Retrofeelings.
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Hallo Constantin,
vielen Dank das Du Dir die Zeit für dieses Interview freischauffeln konntest. Würdest Du Dich zuerst einmal kurz vorstellen.
Mein Name ist Constantin Gillies und meine Schwester eröffnet demnächst zusammen mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal. 😉 Okay, nochmal. Constantin Gillies, Jahrgang 1970, hat habe „Krieg der Sterne“ noch im Kino gesehen und seine Jugend vorm Commodore 64 verschwendet. Seit Ende der Neunziger arbeite ich als freier Journalist, vor allem für Wirtschaftsmedien. Daneben habe ich einige Bücher geschrieben, alles quer durch den Garten, vom Sachbuch über „Star Wars“ über einen Schenkelklopf-Ratgeber zum Vaterwerden („Wickelpedia“) bis hin zu den „Extraleben“-Romanen.
Ich kann mich noch dran erinnern, ich saß am Rechner und war ein paar C64 und Amige500 Spiele am recherchieren, auf einmal tauchte „Extraleben“ als Treffer auf. Alleine das Cover rief Erinnerungen wach, so dass der Titel bestellt und gelesen wurde. Wie bist Du auf die Story gekommen?
Auslöser war eine kleine Story, die ich zu C64-Zeiten erlebt hatte. Damals ging Filesharing ja noch so: Man tauschte auf dem Schulhof Disketten, auf denen raubkopierte Games drauf waren. Die waren natürlich nie richtig beschriftet, also gab’s häufig Überraschungen. Ich schiebe also eine dieser Floppys ins Laufwerk, lade irgendein Programm – und nichts passiert. Im Speicher ist nur ein verstecktes Programm bei $C001 sichtbar. Als ich das starte, erscheint Geflacker und die Ansage: Welcome To The Great Alliance. Alles sehr geheimnisvoll.
Irgendwann in den Nullerjahren habe ich mich wieder an die Story erinnert und daraus die Exposition von „Extraleben“ gestrickt: Zwei angegraute Nerds stauben ihren Cevi ab und finden durch Zufall eine geheime Botschaft. Den Rest des Romans besteht aus Verschwörungsgeschwurbel bestritten, der mir eh im Kopf rumspukte.
Ach ja, wer oder was die „Great Alliance“ war, weiß ich bis heute nicht.
Das Cover zeigt wohl das zweitbekannteste Zockersymbol einer ganzen Generation, neben dem Brotkasten, auf. Berechnung oder fehlten die Alternativen?
Nein, der Competition Pro kam eher durch Zufall zustande. Ich fange alle Buchprojekte immer damit an, dass ich in Photoshop ein fiktives Cover zusammenhaue (wen’s interessiert: https://www.flickr.com/photos/72602779@N00/22913328986/in/dateposted-public/).
Für „Extraleben“ habe ich einfach meinen eigenen Competition Pro geknipst – und die Idee hat der Verlag dann später übernommen.
Was verbindet Dich mit den alten Daddelmaschinen?
Viel. Der Commodore 64, das war das erste Mal digital, so was vergisst man nicht. Das Alter zwischen elf und sechzehn ist mega-prägend, und wenn da mit etwas viel Zeit verbringt, dann setzt sich das für immer fest. Mentaler Burn-in halt.
Außerdem waren die Heimcomputer ja nicht nur Daddelmaschinen. Klar, darum ging’s zu 99 Prozent der Zeit schon. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem man auch mal – böse, böse – ein Spiel cracken wollte. Und dafür musste man den Joystick weglegen und sich den Maschinencode angucken. Zack, und schon war man im Thema drin. Dann wollte man eine coole Laufschrift habe, also wieder Data-Becker-Bücher wälzen und kapieren, wie der Videochip funzt. Und so weiter. So hat man, ohne es zu merken, gelernt, wie die Maschine tickt. Zocken und cracken waren die geilstmögliche Vorbereitung aufs Internetzeitalter. Man hat gelernt, die Ehrfurcht vor der Maschine abzulegen.
Nach „Extraleben“ erschienen drei weitere Titel in der Reihe. Könntest Du bitte ein wenig mehr zu diesen sagen?
„Extraleben“ war ja nur ein Testballon, mein erster Roman. Nachdem ich das Ding fertig hatte, meinte einer meiner Kumpel „Geil, das kaufen bestimmt zehn Leute“. Und ehrlich gesagt dachte ich das auch. Aber auf einmal waren es dann doch ein paar Leute mehr, die schrieben mir Mails, wie cool sie das Buch fanden und so weiter. Also habe ich weitergemacht. Ideen gab’s noch genug, und ich wollte auch einfach besser werden, die Storys spannender machen. Also kam „Der Bug“, dann „Endboss“ und jetzt „Retroland“.
Wird es weitere Werke in dieser Reihe geben?
Nick und Kee waren jetzt zehn Jahre ein Teil meines Lebens. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie neben mir auf dem Sofa sitzen, und bilde mir ein, ihre Kommentare zu hören. Bevor ich endgültig durchknalle, ist es Zeit aufzuhören 😉
Im Ernst: Ich würde ich niemals nie sagen. Das habe ich schon nach „Endboss“ getan und musste dann zurückrudern. Aber wer das Abenteuer auf sich nimmt und „Retroland“ bis zum Schluss durchhält, dürfte merken, dass hier wirklich was zu Ende geht.
Vor einiger Zeit wurde hier auf dem Blog „Das Objekt“ rezensiert. Worum geht es in diesem Werk?
Nach „Endboss“ wollte ich mal was ohne Nick und Kee machen. Also habe ich den Computerforensiker Schröder erfunden. Der wird von den Cops engagiert, um dabei zu helfen einen Mordfall aufzuklären: Irgendein Nerd wird erschossen vor seinem Rechner aufgefunden. Schröder nimmt die Kiste also zusammen mit seiner Kollegin Harriet auseinander und sie finden im Speicher haufenweise Fotos vom Mond. Dafür gibt’s erstmal eine einfache Erklärung: Dieser Nerd hat bei so einem Crowdsourcing-Projekt der Nasa mitgemacht bei den es darum ging, auf Fotos, die eine Mondsonde gemacht hat, Krater einzukreisen oder so. Okay, und dabei hat der Nerd was gesehen, was er nicht sehen durfte. Also ziehen Schröder und Harriet los, um die Sache aufzuklären. An dieser Stelle kommen dann immer drei Punkte im Klappentext.
So dann hätte ich noch ein paar Fragen zum Thema „Schreiben“. Wie bist Du dazu gekommen?
In meiner Branche gehört es zum guten Ton, sich als Überzeugungstäter zu gerieren, so von wegen „habe schon in der Schülerzeitung geschrieben“. Damit kann ich nicht dienen. Ich bin durch Zufall zum Schreiben gekommen. Das war nach der Uni: Ich war auf der Suche nach einem Job und in der Uni hing der Zettel von einem Journalisten, der einen Büroassistenten einstellen wollte.
Ich bin also hin, wir haben eine Stunde lang gebabbelt, und danach sagte er „Okay, du bist dabei, aber du schreibst.“. So war das, ehrlich. Keine Schriftsteller-Biografie. Und das ist auch okay so. Wenn Doc Brown mit dem DeLorean morgen vor der Tür steht, würde ich auch nicht zurückreisen und Germanistik studieren oder so. Vielleicht doch eher Informatik.
Was ist für Dich das aufregendste bei der Entstehung eines Buches?
Schreiben ist für mich Arbeit. Wenn ich mich nicht ab und zu dazu zwingen würde, würde ich nur abhängen. Also mache ich das ganz preußisch: Wenn ein Buch ansteht, gehe ich jeden Tag erst ins Bett, nachdem mindestens zwei Seiten fertig geschrieben sind. Das tut am Anfang immer weh. Aber irgendwann kommt dieser Flow, nach – was weiß ich – 100 Seiten, wenn die Geschichte ihr Eigenleben entwickelt und du sie wirklich nur noch aufschreibst. Das kickt.
Und cool ist natürlich auch, irgendwann den Karton mit den ersten Exemplare aufmachen – wie bei „Zurück in die Zukunft“, wo der erwachsene Marty McFly die Kiste mit seinem neuen Roman öffnet. Dieser Unboxing-Moment ist schön – aber auch verdammt schnell vorbei.
War es schwierige für Deine Werke einen Verlag zu finden?
Bei den Sachbüchern nie. Aber mit „Extraleben“ war es extrem schwierig. Es geht ja um Games, und das war und ist für viele Mainstream-Verlage ein „no-no“. Damals habe ich reihenweise Absagen kassiert. Die letzte kam interessanterweise ein Jahr nachdem der CSW-Verlag das Teil rausgebracht hatte 😉 Das mit dem CSW war übrigens sehr lustig: Ich hatte Enno Coners auf gut Glück mal die ersten zehn Seiten als PDF gemailt. Und ungelogen zehn Minuten später mailte er mir zurück, dass er das Buch machen würde – ohne auch nur zu wissen, wie die Story weitergeht. So viel verlegerischer Mut ist leider selten.
Hast Du Vorbilder, und wenn „ja“ welche und in wieweit haben Sie Dich beeinflusst?
Im Hauptjob bin ich Journalist, deshalb kommen auch die Vorbilder aus dieser Ecke. Ich mag Kurt Tucholsky und den amerikanischen Kolumnisten Dave Barry. Romane lese ich gar nicht so gerne, und wenn, dann häufig nur, um mir von den Besten was abzugucken. Zum Beispiel Tom Clancy oder Simon Beckett. Aber ich muss gestehen, dass ich ein Fernsehkind war und bin. Am meisten beeinflusst hat mich das Blockbuster-Kino der Achtziger. Meine Vorbilder sind eher die großen Geschichtenerzähler aus Hollywood wie Spielberg, Scott oder Kubrick.
Welche/n Autor/in sollte man derzeit im Auge behalten und warum?
Wirklich begeistert hat mich zuletzt „Karlmann“ von Michael Kleeberg. Wie der am Anfang auf 40 Seiten nur dieses Wimbledon-Match von Boris Becker beschreibt – ganz groß.
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören Dir.
Letzte Worte? Das klingt mir zu schwer. Ich bin generell allergisch gegen jede Art von Message oder Programmatik, deshalb zucke ich immer ein bisschen zusammen, wenn es heißt „der Schriftsteller“. Ich sehe mich eher als Entertainer. Wenn sich die Leser melden und sagen „wieder geiles Buch für den Urlaub gewesen“ oder so – da macht mich happy. Das ist vielleicht ein bisschen platt. Aber was kann man schon von einem Gamer erwarten?