Autor: Timothy Brown
Verlag: Ulisses Spiele
Erschienen: 2015
Format: Hardcover A4 inkl. .pdf bzw. .pdf
Seitenzahl: 194
ISBN: 978-3-86889-898-9
Preis: 49,95 bzw. 19,95 Euro
von: Greifenklaue
Timothy Brown hat sich seine Meriten als Erschaffer von Dark Sun erworben, 2013 sammelte er rund 40.000 Dollar über Kickstarter ein und erschuf damit die Welt Khitus, welche ähnliche Themen und Motive wie Athas enthält, aber doch eigenständig ist und kein purer Abklatsch.
Das englische Originalsetting ist dabei systemneutral mit zusätzlichen Wertebüchern für diverse Systeme. Eines davon ist Pathfinder und eben jenes hat Ulisses gleich im Buch integriert, so das es auf 194 Seiten kommt, die knapp 50 Euro im Hardcover inkl. .pdf oder 20 Euro als reine .pdf kosten.
Khitus entpuppt sich in der Tat als ähnlich (post)apokalyptisch, trockene Welt wie Athas, aber versprüht doch genug eigenen Charme, um nicht nur ein Klon zu sein. Kern der Geschichte ist eine Periode des Wachstums und des Wohlstandes, die nun etwa 1.000 Jahre her ist, während der Drachenkönige (Menschen, welche die Magie gemeistert haben und sich häufig in Drachen verwandeln können) die Khitaner unterstützten und die Geschicke der Welt lenkten. Während der letzten 800 Jahre zogen sich diese nach und nach zurück, ohne dass die Beweggründe bekannt wären. Seit 200 Jahren sind sie nun vollständig verschwunden. Stattdessen ist der Schwarze Turm aufgetaucht, ein riesiger Turm, der sich in die Wolken erstreckt (und deutlich höher als die höchsten Berge Khitus ist) und das Eisenvirus sorgt dafür, dass die Welt wieder ins Bronzezeitsalter zurückgeworfen wird.
Grund für den Zerfall der Welt ist der Zauberzorn. Denn jeder, der zaubert (oder auch magische Gegenstände nutzt), läuft Gefahr, Unglück auf sich (wie Alpträume, Depressionen oder Vergesslichkeit) oder seine Umwelt (Schlechte Ernte, Unfruchtbarkeit, Ungezieferbefall) zu ziehen, wobei er eine Chance hat, den Zauberzorn auf jemanden abzulenken. Aber selbst wenn dies klappt, droht den Liebsten des Magiers direktes, persönliches Unglück (von Sturz über Tierangriff bis zum Selbstmord …) oder auch indirektes Unglück (Bösartige Gerüchte, Blitzschlag, Erdrutsch). Gelingt das Umlenken nicht, trifft dies den Magier selbst …
Leider ist hier nicht konkret geregelt, was nun z.B. bei einem Erdrutsch die Konsequenz ist, allein ein „Für die, die unten vorüber ziehen, lauert eine zermalmende Verletzung oder gar der Tod lautlos über ihnen.“. Wäre schon schön zu wissen, welche Überlebenschance man hat, anstatt dass man handwedelnd aus der Runde ist, weil ein Klavier, ähh, Erdrutsch vom Steilhang fällt … Gerade als SL erwarte ich eine solche Information – gerade in einem so deterministischen System wie Pathfinder.
Arbeiten wir kurz den Zauberzorn regeltechnisch auf: Das Problem allgemein dürfte sein, dass es recht schwierig ist, Zauberzorn zu vermeiden (selbst bei Grad 0. ist das ein Konzentrationswurf gegen 15 [+2 je Grad]) und er dann zu 25% eintritt (bei Grad 0) [je Grad + 5%]. Die Auswirkungen sind zwar oft nur klein, teilweise aber auch Hammer (Vergesslichkeit – beraubt dem Zauberer seiner Magie, wenn es permanent wird …). Man hat noch die Chance Zauberzorn umzulenken, das ist ein Willenswurf gegen 25 ggf. mit einem Bonus von bis zu +10, wenn man sein Opfer schon länger kennt.
Ähh, naja, insgesamt stinkt das gegenüber Systemen wie Dungeon Crawl Classics gewaltig ab und systemmechanisch würde ein lockerer PF-Kampf mit SC auf Stufe 3 gegen 5 Zombies den Weltuntergang herbeiführen – nebst unspielbaren mahisvchen Charakteren.
Zudem ist nicht genau definiert, wie lange etwas anhält oder wann es permanent wird, das schiebt man dann aufs Ausspielen … Und ich wiederhole mich da, dass passt zu manchem System, aber Pathfinder liegt da am anderen Ende der Skala.
Neben den dominierenden Menschen, diesmal tatsächlich die erste kulturschaffende Rasse, gibt es noch allerlei andere intelligente Bewohner, z.B. die käferartigen, humanoiden Krikis, Pachyauren (Elfeanten-Zentauren) oder die Penmai, die sich affenartig durch Bäume schwinggen können. Auch andere Bewohner Khitus werden im Rahmen des Bestarium auf 27 Seiten vorgestellt: von relativ normalen Bewohnern (speziellen Zombies oder Pavoukspinnen) über Kreaturen mit kleinen Besonderheiten (die Schreikobra oder die Saniden, großen Adlern, die mit den Penmai verbündet sind) über außergewöhnliche Wesen (wie den Steinwurm, Hypnospinnen oder Jaladam, welche nicht von Khitus stammen, sondern einst aus den dämonischen Reichen gerufen wurden und dann blieben …). Hier scheinen die Werte meist gut gewählt, Herausforderungen und Überraschungen für jede Stufe warten, aber auch gelungene Beschreibungen.
Die Illustrationen befinden sich auf schwankendem Niveau. Wirklich viele sind gut, dass Bestarium zum Beispiel ist durchgehend gelungen illustriert. Andere weichen davon ab. Das ganzformatige Bild eines Oritahl (echsenartige Humanoide) ist zwar nicht per se schlecht, aber ist ein völlig anderer Zeichenstil und sticht so negativ heraus. Die isometrisschen Karten im Buch wissen auch nur zum Teil zu gefallen, aber es liegt auch eine (etwa) A1-Karte bei. Das Originalcover finde ich auch etwas schwach, da wirkt die Ulisses-Version in weißer Lederoptik mit Goldprägung wesentlich besser. Bei mir kommt der Verdacht auf, dass das Bild evtl. dem Bestarium-Kapitel entstammt, die sind in ihrem Hintergrund nämlich alle relativ detailarm. Was in der Größe wenig stört, fällt beim seitenfüllenden Cover wesentlich deutlicher ins Auge.
Das Lektorat wurde an einigen Stellen kritisiert, aber hier kann ich bei den Kernaufgaben des Lektorats wenig Rechtschreibfehler ausmachen. Vielmehr lesen sich die Texte allgemein sehr trocken, manchmal gar dröge, aber hier scheint es so, dass es im Original nicht anders ist. Beim Schreiben dieser Rezi wird ein Mangel am Buch deutlich, der in selber Form in der praktischen Nutzung am Spieltisch genauso auftreten: dem nachschlagen von Informationen. Zwar gibt es ein Begriffslexikon und ein – leider zu ausführliches – Inhaltsverzeichnis, aber kein Index. Ein kürzeres Inhaltsverzeichnis, welches zusätzlich ein Index besitzt (und dort auch die vielen Unterkapitel alphabetisch eingliedert) hätten zur Übersicht beigetragen und dem Leser eine Chance gegeben, schnell etwas nachzulesen, was sich auf mehrere Kapitel verteilt oder versteckt (z.B. Infos zum Schwarzen Turm).
Das Werk gibt es in zwei Formen zu erwerben: entweder als Hardcoverausgabe im erwähnten weißen Lederoptikeinband für 50 Euro oder als .pdf für 20 Euro, welches wiederum ersterer Ausgabe als Gutschein beiliegt (Gut zum Verwenden der Suchfunktion!).
Mein Fazit:
Als reines Setting deutet Dragon Kings ein tolles Potential an, verschenkt dies aber oft in schlechter Strukturierung und trockener Schreibweise. Die Pathfinderkonvertierung ist auf der Ebene der reinen Werte für Monster oder Völker gelungen, die weiterführenden Regeln zur Zauberplage passen aber nur bedingt zu einem System mit viel Magie wie Pathfinder bzw. liefert keine sinnvollen Vorschläge diese etwas in den Hintergrund zu rücken. In der vorliegenden Form werden Spielgruppen nach 2 Sitzungen unspielbar sein bzw., da oft eine konkrete Information fehlt in Spielleiterwillkür versinkenm, was SL, die ungern handwedeln, auch keinen Spaß macht. Dazu fehle noch die Regeln für Harmonische Magie des Originals. Kurzum, man kann es zwar mit Pathfinder spielen, aber ich würde die Zauberplage von vornerein anpassen, so dass man nach einer Sitzung nicht zwei Dutzend Effekte gezogen hat, sondern ein oder zwei. Sehr erfreulich ist die Ulisses-Politik, die weiteren Konvertierungen sehr offen gegenüber steht, das ist mal absolut vorbildlich!
Meine Wertung:
3,5 von 5 dunklen Sonnnen für das Setting.
Und leider nur 2 von 5 magischen Gegenständen für die Pathfinderadaption.
L I N K S:
Kickstartwebsite von Dragon Kings
→ https://www.kickstarter.com/projects/1084491323/dragon-kings
Englischsprachige Website
→ http://www.dragonkingsproject.com/
Englische (vollständige) PF-Regeln
→ https://www.dropbox.com/s/28goq0su50tj4fl/Dragon%20Kings%20Pathfinder%20PDF%20Rules%20Supplement.pdf?dl=0